Typischer Flämingblick - hier über eine Kamillenwiese bei Benken
Bericht von der Radtour am 6. Juli 2013
Die Tour fand fast so statt, wie ich mir das vorgestellt hatte....Wir waren allerdings nur 8 Teilnehmer - aber der Vorteil ist, dass man/frau sich schnell absprechen kann und dass ich leicht sehe, was zu schaffen ist und was besser ungestrampelt bleibt. Das ist eine wichtige Wanderregel. Jeder der allein oder in Gruppe eine solche Tour bewältigen oder sie gar leiten will, muss, wenn er nicht ein unverbesserlicher Abenteurer ist, sich vorbereiten, sonst geht es auf die Kosten der anderen, die ja seinen Experimenten ausgesetzt sind. Und nur auf einer solchen "Basis" kann auch etwas extemporiert werden....
Auf dem R1 bei Rottstock/Brück
Unsere Tour nun ist in mehrfacher Hinsicht exemplarisch zu nennen. Sie hat nicht nur den Titel "..im Reich der Mitte", sie lag auch sonst gut im Mittel. Mittlere Länge: gut 40 km. Mittlere (märkische) Schwierigkeit was Höhenmeter und Wegebeschaffenheit betrifft, durchschnittliche Versorgung mit Gaststätten und so fort.
Die Wegebeschaffenheit tendierte eher gegen gut bis sehr gut, auch das Landschafts-Erleben ist bei gutem Sommerwetter durchaus überdurchschnittlich.
Leicht, geradezu kinderleicht ist der Anfang vom Bahnhof Brück bis zu Ortschaft Baitz. Vom Bahnhof Brück fahre dafür in Fahrtrichtung Belzig bis zur nahen Schranke, vor dieser die kleine chaussierte Straße ca 1km, dann nahe der nächsten Schranke rechts in den Kiefernwald, kurz darauf kreuzt der R1 Europaradweg unübersehbar den Waldweg; den natürlich links einbiegen, nach Süden Richtung der "Berge", Richtung Hoher Fläming. Doch bis an seinen Rand sind es noch ein Dutzend Kilometer. Wie gesagt, leicht zu fahren, denn es geht immer am Rand des großen Urstromtales entlang, keine Steigung, gute Aussicht. Kleine Sensationen dazwischen. Als erstes das Flüsschen Plane. Das größte, längste und schnellste Fließ eine ganzen Familie von Bächen, die sich aus der Hangkante des Fläming ins Bruch ergießen und Richtung Elbe davonmurmeln. Nach der Brücke durch die Ortschaft Trebitz geht's weiter auf reiner Fahrradstraße bis kurz vor Baitz. Ein hübsches Dorf. Viele offene Höfe. Auch der Hof der Vogelschutzwarte ist offen (Im Winkel 13). Die Naturschützer erwarben die alte Dorfgaststätte für Ihre Zwecke. Das ist dort allerdings wenig gastlich, es gibt keine Ausstellung, keinen Raum für die Öffentlichkeit, man darf auf dem Hof lediglich einen Aufsteller studieren. Dem Beispiel folgen im Prinzip die Bauernhöfe auch (oder lief es umgekehrt?), es gibt Offenheit, aber kein Angebot mehr. Das war im vergangenen Jahr besser.
Auf dem großen, schönen Mühlenhof von Frau Siebert (links im Bild)
Bevor du den nächsten Ort erreichst, entscheide, ob du durch den Schweinegestank von Schwanebeck fahren willst oder einmal zwei Sandkilometer durch den Wald riskierst. Ich entschied mich für letzteres, auch weil eben bisher alles sehr leicht ging. Der Ort danach ist Fredersdorf und überdurchschnittlich sehenswert. Also nicht auslassen (der Kurs ist einfacher, von Schweinebeck direkt nach Dippmannsdorf, ohne Fredersdorf)! Was den Ort interessant macht, ist sein Gutshaus, der schöne, große Anger und vor allem sein Mühlengehöft. Alles besaß einstmals die Gutsherrschaft (von Oppen aus Sachsen). Heute ist die Erbin des Müllers Frau Siebert. Sie betreibt eine Pension (http://pension-siebert.de). Leider gibt es seit 2009 keinen Gasthof mehr, leider wird seit 1990 ein Mehl mehr gemahlen, doch wir wurden unangemeldet sehr freundlich empfangen, bekamen eine wirklich tolle Mühlenführung und anschließend Getränke auf der Hof-Terrasse. Die Wasser-Mühle wird bis heute von einer Turbine aus den 50er Jahren angetrieben und könnte nach einigen Überholungen wieder loslegen....dank dem recht wasserreichen Fredersdorfer Bach, der nach ein paar weiteren Kilometern in den Plane mündet.
Auch das brauchte eine Wassermühle: Sacknäh- und Sackbügelmaschine
Von hier ist nicht weit zur Chaussee Belzig-Golzow- Brandenburg, die von einem prima Radweg begleitet ist. Wir folgten ihm nur bis ins übernächste "Dorf eines Dietmars" - also Dippmannsdorf. Hier gibt es ein "Paradies" und eine Gaststätte "Zum Dippmannsdorfer Paradies". Das Paradies wird aus einigen Dutzend Sickerquellen gebildet und ist eine Anzahl von Teichen, die geheimnisvoll an der Hangkante des Hohen Fläming auf einer Tonschicht ruhen. Es gibt einen Wanderweg durch dies interessante Gebiet - aber nicht für Fahrradfahrer geeignet.
Die Kirche in Dippmannsdorf entstammt der Dienstmappe August Stülers
Was der Wanderer an dieser Stelle tun sollte: Ist Baden gehen. Eine der Teiche bietet für 2 € Eintritt ein "Naturbad" - wirklich einladend anzuschauen. Weniger einladend wirkt eigentlich die Gaststätte. Aber wir wurden - Überraschung - sehr gut bedient. Das Essen war tadellos und es ging schnell und fachkundig zur Sache. www.dippmannsdorf.de Gestärkt nun an den schwierigsten Wegabschnitt! Die 6 Kilometer bis Waitzgrund. Nicht nur stetig etwas aufwärts, auch über eine nur wenig befestigte Straße. Ständig Wald! Doch diese "Chaussee" war trocken, wenig steinig und mit nur wenigen Löchern. In Weizgrund leben, ebenso wie im nächsten Ort nur 10 - 20 Menschen, aber es gibt eine großen, idyllischen Reiterhof und ehemals gab es ein bekanntes Kinderheim.
Die einsame Dorfstelle von Waitzgrund
Und einen Kilometer weiter ist endlich der Mittelpunkt der Mittelpunkte da: Der Mittelpunkt der DDR! Festgelegt kurz nach der Wende erst (!) durch die Fernsehsendung "Außenseiter - Spitzenreiter". Aber, die Sache soll trotz des innewohnenden Humors tatsächlich Hand und Fuß haben. Jedenfalls erlebten wir dort in denkbar ärmster und einsamster Landschaft einen geradezu touristischen Ansturm. Ganz in der Nähe entspringt der Bach "Verloren Wasser".... vielleicht hat Hans-Joachim Wolfram, Redakteur und Erfinder von "Außenseiter - Spitzenreiter" (älteste gesamtdeutsche Fernsehsendung!), sich doch ein wenig von diesem Namen und ein wenig weniger von den Koordinaten der Geografie leiten lassen?
Waldtouristen am Mittelpunkt der DDR
Zwei Kilometer weiter dann die Ortschaft Verloren Wasser. Drei Häuser und Wanderers Einkehr "Zur Hirschtränke". Unterwegs gab es noch den "Zapfenflückerstein" und danach das Tierheim "Verloren Wasser" - auf dem einstigen Trainingsgelände des "DDR - GSD-9" (Diensteinheit 9 des MDI).
Du kannst übrigens, wenn dich der Mittelpunkt der DDR nicht so lockt, auch in Waitzgrund schon im spitzen Winkel zurückfahren Richtung Belzig. Auf einem Fahrradweg! Er ist nicht so exklusiv, wie der R1, aber durchaus akzeptabel - aus Betonziegeln gelegt.
Der Zapfenpflückerstein - Gedenkfindling für den hier 1965 tödlich abgestürzten jungen Forstarbeiter Helmut Berlin
Wir aber radelten, sicher schon etwas "angenagt" nun östlich abbiegend vom äußersten Punkt unserer Tour Richtung Werbig. Von diesem ersten echten und recht hübschen Dorf hier im Zentrum des waldigen Hoch-Flämings sahen wir nicht viel, denn wir kreuzten nur die Hauptstraße um gleich weiter Richtung Benken zu kommen. Von Benken aber siehst du lange über einem vollen Roggenfeld das Kirchlein stolz stehen. Wie schön. Und wie gut das Getreide im diesem Jahr steht. Ich glaube, so sah ich es noch nie. Nutze du die nächste Gelegenheit und fahre noch schnell einmal durch die Felder, denn schnell naht die Ernte, staubig und traktorenknatternd und mit dem Vorgeschmack von Herbst.
Der Bach Verloren Wasser bei Verloren Wasser
Der Rest ist schnell berichtet. Benken durchquerend auf der Landstraße nach Belzig kommst du bald zum Abzweig nach Schmerwitz. Du könntest auch geradeaus direkt über Lübnitz nach Belzig. Das ist leichter zu radeln, aber riskanter dank Autoverkehr. Und Schmerwitz bietet noch einen Höhepunkt. Dort ruht das einst prächtige Schloss der Brand von Lindows. Ungenutzt seit Jahren! Fleißig und sinnvoll genutzt wird dagegen der Gutshof. Zum Beispiel durch Integration von suchtkranken Menschen dank Gemeinschaft und Arbeit - einst von Synanon betrieben, jetzt von "Scarabäus".
Auf der kühlenden Allee zum Schloss Schmerwitz
Hinter Schmerwitz lauert ein letzter Anstieg, doch dieser hat finale Qualitäten. Denn der erkämpfte Hügel ist die höchste Erhebung Brandenburgs: Der Hagelberg. Und hier gab es ein wirklichen Kampf um die Höhe: Vor 200 Jahren entschied die preußische Landwehr erstmals eine kleine Schlacht für sich - bevor es Wochen später in die größte Schlacht aller Nationen bei Leipzig ging. Wie friedlich und ahnungslos fliegen wir durch das Dörfchen... Einen Kilometer weiter in Glien biege du dann links ab und rolle abwärts bis Belzig. Aber Vorsicht, hier gibt es auch Autoverkehr, wenn auch wenig, leider aber auch verkehrswidrige Schnellfahrer. Wer sicherer fahren will, muss Zeit und Kilometer investieren und bis Borne ausrücken, dann erst Richtung Belzig einbiegen. Wenn Du noch Lust und Kraft hast, verweile in der netten Kleinstadt, die einst sächsisches Randstädtchen war und unter Preußen in den Rang einer großen Kreisstadt aufstieg. Hier gibt es einige wenige Restaurants, die große Burg Eisenhardt und eine imposante Stadtkirche mit Orgelsammlung. Aber Vorsicht: Der Bahnhof liegt fast einen Kilometer entfernt am Rand und es muss noch eine letzte kleine Steigung bewältigt werden (besser nicht die Bahnhofgasse nutzen: sehr steil - lieber Visasvis der Burg die Bahnhof s t r a ß e ).
Und für die Bahn "Richtung Berlin" musst du schon 200m v o r dem Bahnhof über eine Brücke auf die andere Seite wechseln: Sonst bleibt dir nur das Tragen des Rades über einen "Galgen". Weder Stadt noch DIE BAHN haben dort rechtzeitig einen Wegweiser angebracht. Überhaupt die Bahn.... An diesem Wochenende keine Verkehr auf den Bahnhöfen der Stadtbahn! Ein Wunder war, dass trotzdem einige sich und ihr Rad in den Südwesten vor Berlin durchbrachten. (Noch vor nur 5 Wochen stand kein Wort im Internetfahrplan und auch aktuell die Ausschilderung und Ansagen auf den Bahnhöfen mangelhaft, irreführend....! In Wannsee sogar eine Abfahrt auf dem Autoreisezugbahnsteig. Zumutung.
Aber danach dann, im schönen Hohen Wanderfläming war für alle 8 Teilnehmer, glaube ich, denke ich, hoffe ich, die Welt wieder in Ordnung.
Gerne gebe ich die Empfehlung für diese Tour weiter!
Foto und Text: Uwe Scheddin, Rechte beim Autor!