28.03.10

Stalin in Potsdam

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Das schöne, seltsame Denkmal für die friedliche deutsche Inbesitznahme der Glienicker Brücke im November 1989
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Meine erste Führung nach der Winterpause war recht gut besucht! Beinahe hätte ich die Sommerzeit verpasst und somit auch die Gruppe am Hauptbahnhof Potsdam. Ich traf sie etwas später am eigentlichen Führungs-Startpunkt Charlotten-Ecke-Lindenstraße. Ein Kurs, auch ohne Führung mit interessanten Einblicken in Potsdams Geschichte - besonders natürlich die des Militärs und der Repression... Das beginnt eigentlich gleich an der alten Neuen Wache aus der Zeit Friedrich-Wilhlem II und in den hier gut erhaltenen Bürgerhäusern mit Soldatenstuben (nicht im Dachstübchen, sondern paterre in der besten Stube waren die !). Findet seine Fortsetzung im "Lindenhotel", dem Stasi-Untersuchungsgefängnis - ein wirklich schöner, großzügiger Bau für den Stadtkommandanten aus der Zeit des "Soldatenkönigs". In der NS-Zeit Sondergericht für die Durchsetzung der Nürnberger Gesetze - z.B. verantwortlich damals für tausende Zwangssterilisationen.

Wir passieren die schmucken Höfe der einstigen Garde-Ulanen-Kaserne in der Jägerallee.


Wenig später trifft man - immer geradeaus - an der Kreuzung mit der Hegelalle auf das Stadtgericht aus der Potsdamer Gründerzeit. Hier war die schreckliche Potsdamer Gestapozentrale. In DDR-Zeiten wieder Gericht, dann wieder "Geheimpolizei" als Teil der Stasiverwaltung, die sieht man erst so richtig mit ihren klotzigen Plattenbauten im "Hofbereich" besser von der Seite der Jägerallee (die weiter immer geradeaus benutzt wird). Der Hofbereich hier zur Allee wird von der alten preußischen Unteroffiziersschule begrenzt, ein recht ansprechender Bau aus der Schinkelzeit. Über 10000 Unteroffizieren kamen aus dieser "Mutter" der Uffz.Schulen... Nach dem 2. Weltkrieg benutzt durch die Geheimdienste der Sowjets. Gegenüber in der Ulanen-Garde-Kaserne (3. Regiment) ist heute eine mustergültige zivile Umnutzung zu bewundern. Das baulich auch sehr beeindruckende Gelände wird von der Kreditbank, einem großzügigem, schicken Oberstufenzentrum, der Druckerei Riess und vielen anderen Mietern genutzt. Bis 1994 war hier, im Vorderhaus (jetzt Bank) die wohl beste Oberschule, die die Sowjets in Deutschland betrieben. Gleich anschließend wirds noch einmal so richtig "russisch" im "Russischen Dorf", das zwar zum Thema passt, aber zu keinem russischen Dorf. Und wenn "die Russen" vor der Wende auch überall in Potsdam waren: Hier waren sie nicht! Aber, was wenigen wissen, sie besuchten (wer religiös war) die Kirche der einst russischen Gemeinde, denn schon seit Stalins Zeiten, nach dem Überfall Deutschlands auf die Union, war die Kirche wieder genehm. Alle Quellen, aus denen Kraft zur Verteidigung zu gewinnen war, sollten genutzt werden. Wir in der Gruppe haben es zeitlich nicht vermocht, diese Russisch-Orthodoxe Kirche auf dem Pfingst(vor)berg zu besuchen - denn wir hatten einen Termin im "Militärstädtchen Nr.7" im einstigen Untersuchungsgefängnis der SU-Geheimdienste.

Ein Rest aus der Sowjetzeit: Schaukasten an der Kasernenmauer an der Ulica Biblioteka mit verblaßtem Sojwetstern (dahinter der Neue Garten)


Hier wurden bis 1953 Deutsche abgeurteilt, die der Spionage oder Sabotage verdächtigt wurden. Dafür genügte schon 1946 die Weigerung, am Russischunterricht teilzunehmen... erfuhren man in der Führung durch das gruselige Haus. Einst zivil genutzt (durch eine Pfarrersfamilie) bot es so primitv umgebaut, wie es bis heute überlebt hat,sehr puren Einblick in die "Justiz" des Sozialismus. Bis zu einem dreiviertel Jahr saßen hier die Gefangenen, warteten auf ihr Urteil, das im benachbarten ehemaligen Augusta-Viktoria-Stift (in der Schul-Kapelle!) in einer Scheinverhandlung ausgesprochen wurde. Die Gefangenen gingen nach Torgau, nach Bautzen oder in die Gulags oder ... wurden erschossen. Wo sie erschossen wurden, was mit den Leichen geschah, weiß man nicht, wusste jedenfalls der Guide nicht. Die Räume, so mein Eindruck, waren irgendwie in allen drei Geschossen des Hauses sehr ähnlich. Alles war ganz leer, unrenoviert, uninszeniert, unillustriert. Dazu der knappe, ja dünne Kommentar. Ein eigenartiger Eindruck - fast fad. Nur sehr wenig erfährt man über die Opfer, erst recht über die politischen Hintergründen, die mich ja besonders interessiert hätten. Ich besitze ein Heft, schon über 5 Jahre alt, "Von Potsdam nach Workuta" des "Memorial E.V." das wesentlich aussagekräftiger ist....
Wie auch immer - danach freut sich jeder, wenn er frei durch den Mirbachpark weiter kann, oder,wie wir durch den Neuen Garten bei recht schönem Wetter in den Frühling läuft. Was für Zeiten waren das!

Das Auguste-Viktoria-Stift, die Hauskapelle, hier tagte das Militärgerichtstribunal gut zu erkennen an der Apsis...


Im Neuen Garten nun, war Stalin wirklich und das fast drei Wochen lang. Es ist nicht genau protokolliert, was der oberste Dikator außer auf der Potsdamer Konferenz getrieben hat. Sicher auch - von seiner Villa am Greibnitzsee - Regierungsgeschäfte aus der Ferne. Hier jedenfalls im einstigen Kronprinzenschloss der Hohenzollern war der Sowjetische Regierungs- und Parteichef als wohl einzigem Ort außerhalb der Union in seinem Leben. Ängstlich, wie er war, ist er mit dem Zug angereist und wagte sich nicht einmal zur Besichtigung in die zerstörte Reichshauptstadt. Eine Sonderanfahrtsstraße hatten die Pionieren der Roten Armee durch den Park geschlagen und mit einer Pontonbrücke über die Havel mit der Villenkolonie Neubabelsberg verbunden. Stalin - das muss man sagen - schlug sich als Diplomat in Potsdam wacker. Was er hier erreichte, gewährte der SU Jahrzehnte des Aufbaus, die politische und "humane" Unakzeptanz des Unrechtsregimes war halt nicht von dem gleichen Gewicht, wie der Sieg über Hitler. Potsdam stabilisierte den Weg der seltsamen sozialistischen Entwicklung russisch-stalinscher Prägung, machte ein Weltsystem daraus, das bekanntlich bis zur "Wende" hielt. An der Geschwindigkeit und Dramatik des Zusammenbruchs mag man sich errechnen, wie überfällig die Zäsur war. Hier in Potsdam war der Eindruck der Sowjets so gewaltig, das fast für ein halb Jahrhundert das Image der Weltmacht nicht gekippt werden konnte.

Zwischen neckischem Buchs der Rote Salon der Kronprinzessin Cecillie - das persönliche Arbeitszimmer Stalins


Anschließend wanderten wir bis zur Glienicker Brücke, die bekanntlich alle Nachkriegsjahre unter sowjetischer Verwaltung und unmittelbarer Besetzung stand. Vor der Brücke auf Potsdamer Seite gibt es dazu zwei Neuigkeiten. Seit November ein "Deutsch-deutsches-(Brücken)Museum" , das gleichzeit eine Darstellung der Geschichte der Villa Schöningen ist, und ein neues Hinweisschild für die Passanten: "Hier war Europa bis zum 10.11. 1989 18 Uhr geteilt". Das alte Schild hatte nämlich ein falsches Datum: Den 9.11..
Aber die Sowjets hatten dem Druck der Bevölkerung in der ersten Mauerfall-Nacht n i c h t nachgegeben und sich am folgenden Tag erst mit der DDR-Regierung konsultiert - . I
hr Erstaunen über das plötzliche deutsche Chaos soll grenzenlos gewesen sein....

Hier wohnte die antifaschistische "Baroneß Maimi" eine Tochter des kaiserlichen Kammerherrn von Mirbach (Alleestraße) - eine Gedenktafel Israels...