15.03.09

Gedanken zur Führung im Universitätsviertel am 13. März 09


Im Säulenhof der Landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-UniversitätDarwin im Tempel

Seit 1991 veranstalte ich Führungen im Berliner Universitätsviertel der Friedrich -Wilhelm-Stadt. Verschiedene Ursachen gibt es dafür. Vor allem verbindet mich mit dem Kiez meine eigene Vergangenheit. Habe hier von 1981 bis 2003 mit meiner Familie gewohnt… Und hatte schon davor im Studium öfter mal „rein“geschaut. War in der „Möwe“, im Deutschen Theater, in der Mensa, im Naturkundemuseum oder bei "Peters", dem damals ungewöhnlich gut sortierten Papier- und Bürowarengeschäft. Folglich kannte und kenne ich das Gebiet besonders gut. Und ich bin hier – das ist ein weiterer Punkt – nach wie vor gern, finde die Gegend hochinteressant, lerne nie aus, entdecke immer wieder Neues. Wenn mich jemand frage würde, wo es in Berlin am meisten zu sehen gibt, würde ich nicht zu zögern: Rechts vorm Brandenburger Tor.

Pferdegebisse. Lehrbeispiele für Pferdehalterfehler ("Hufeisen-Sammlung")
Leider wird seit Jahren die alte Berliner Tiermedizinische Anatomie, das älteste Lehrgebäude der Stadt, saniert. „Gut so!“ muss es ja richtig heißen, das Bauwerk war sehr vom Zahn der Zeit angenagt. Zuerst sollte nur ein wenig in Ordnung gebracht werden, aber Stück für Stück traten mehr Mängel zu tage, bzw. nach und nach entdeckten die Verantwortlichen, was sie da für ein kostbares Bau- und Geschichtsdenkmal unter sich haben. Ich war mir dessen immer bewusst, habe jedes Mal das voll genossen, wenn ich den Schlüssel oder den Zugang zum Trichinentempel (so der Kosename, nachdem vor fast 100 Jahren die Fleischhygiene einzog) für eine meiner Führungen erkämpft hatte. Wenn der „Tempel“ fertig ist, wird es sicher ein Museum werden, wird aus dem alltäglichen Uni-Alltag schließlich ausgespart sein. Werden wir Eintritt zahlen müssen… Die Führung heute nun, ohne diesen Tempel, ohne Gang durch die Charité, nur beschränkt auf wenige hundert Meter Umfang, sozusagen ein Halbkreis vor dem Naturkundemuseum, diesem ehrwürdigen "Tempel der Wissenschaft". Aber was gibt es da alles zu sehen, bzw. zu hören! Von der Landwirtschaftlichen Fakultät ging’s durch den Hof der Sektion Elektronik und dank einem neuen Mauerdurchbruch gleich zur "Chemie". Ein riesiges Gelände, einst der Charitéfriedhof, gefürchtet bei den Berliner und heute recht abseits des allgemeinen Interesses. Dabei wirkte hier einer der interessantesten und populärsten Forscher überhaupt: Emil Fischer. Absolut grundlegende Entdeckungen für die Biochemie. Inkunabeln. Darstellung des Zuckers. Entdeckung der Aminosäuren als Grundbausteine des Lebens. Sein Dienst-Wohnhaus auf dem Gelände steht noch. Daneben die Gerichtsmedizin – noch in der DDR ein sehr populärer Leiter dort: Prokop. Hatte viel über Gerichtsfälle und die helfende Wissenschaft populär veröffentlicht. Gegenüber - im ehemaligen Tierarzeneigelände - wurden wir zur „Hufeisensammlung“ eingelassen, eine Museum ohne Lehrbereich. Hier lernten einst Landwirte und Mediziner den fachgerechten Hufbeschlag, über den richtigen Sitz des Zaumzeugs, der Gurte etc.

Lebhaft und anschaulich: Junger Guide im Naturkundemuseum (Student der Naturwissenschaft)
Kurz nur konnte ich diesmal auf die berühmten Lehrsammlungen der Berliner Anatomie hinweisen, denn schon rückte der Termin der Führung im Naturkundemuseum heran. Die Sammlungen der Naturkunde haben sich, was den öffentlichen Bereich betrifft, in den letzten zwei Jahren verändert, ist hier doch ein neuer, aktiver Direktor eingestiegen. Außerdem ein Motiv für mich, hier eine Spezialführung zu ordern, war das Darwinjahr und eine große Sonderschau im Haus dazu. Obwohl der Guide (sympathischer Student, der außerdem noch souverän wirkte) nur wenig Zeit hatte, denn danach war gleich eine zweite Führung für ihn, hat er uns einen kurzen, straffen und durchaus anregenden Überblick gegeben.

Eisenmeteorit im Treppenhaus. Ein Geschenk des Zaren Nikolaus an den Schwiegervater (Friedrich-Wilhelm III.)
Es lohnt sich, das Naturkundemuseum wieder zu besuchen – neben der neuen Aufstellung des großen Sauriers gibt es gleich dahinter eine fesselnde Ausstellung zur Entwicklung des Lebens auf der Erde und die dabei wirkenden Gesetzmäßigkeiten – in einer supergroßen Vitrine wurden tausende Arten und Exemplare (präparierter) Lebewesen über- und nebeneinander geordnet – eine herrlich bunte Angelegenheit! Auch die spezielle Darwinexposition kann sich sehen lassen. Besonders für die Jugend anregend, denn ausgestellt wird am Deck der Beagle, dem Reiseschiff Darwins. Neugierig bin ich nach der Führung noch durch das Museum gestreift, bin allein die riesige, schöne Treppe hinauf, ohne weitere öffentliche Museumsräume zu finden. Glastüren nur, die einen Blick erlaubten in die endlosen, leicht verstaubten Reihen von Vitrinen und Schränken. Hier darf, warum auch immer, nur die Fach- und Studienwelt Eintritt erheischen.

Leider nicht öffentlich: Das Reptilienarchiv im 3. Stock
Im gut sortierten Museumsshop habe ich, so ist die Welt nun mal, einen Teil meines Honorars wieder ausgeben. Vor allem entdeckte ich dort ein Büchlein zur Bestimmung von Vogelfedern – das ich hoffe, bei meinem nächsten Federfund erfolgreich anwenden zu können. Und noch eine Entdeckung gab’s, die ich gierig in meine Digi einspeiste: Eine Abbildung von der ersten kontinentalen Lokomotive. Eine sehr schöne Schautafel des Verkehrsministeriums zur Geschichte der Berliner Eisengießerei gab das Motiv. Diese für die deutsche Schwerindustrie so grundlegende Einrichtung war einst statt der Museen und Hochschuleinrichtungen hier an der Invalidenstraße. Und hier wurde, dass weiß ich seit vielen Jahren, 1816 eine erste Lokomotive zusammengebastelt. Aber ich habe nie nach einer Abbildung gesucht, bzw. ist mir keine begegnet, da ich das für ziemlich aussichtslos hielt. Dabei gibt es sogar eine Darstellung davon auf der gusseisernen Neujahrsplakette von 1816!

Die erste Eisenbahn auf dem Kontinent war eine Zahnradbahn! Das Gestänge muss der Antrieb gewesen sein. Die Kraftumsetzung auf Drehung ist leider nicht zu erkennen. Das Fahrzeug war zu schwerfällig und auch noch nicht für den Personenverkehr gedacht. Es blieb 1816 bei dem Experiment - die Zahnradschienen wäre zu kostspielig gewesen.