15.03.09

Gedanken zur Führung zur Wohnsiedlung Carl-Legien 14.3.09


Unterwegs zur Weltkultur: Quer durch den Helmi
Sixpack Weltkultur
Pack 1 die „Carl-Legien-Siedlung“


Bei gutem Wetter mit großer Gruppe ein Gang zum Weltkulturerbe. Was aber ist das? Was sind die Kriterien? Wo befindet sich die Siedlung, die 2008 nach langer beharrlicher, kluger Vorarbeit diesen Titel bekam... wie ist sie in die Stadt integriert? Meine Führung zeigte den Zusammenhang zweifach: Erstens im Vergleich zu den Siedlungsgebieten des 19. Jahrhunderts, zweitens zu den parallelen Wohnungsbauvorhaben des 20. Jahrhunderts. Das ist logistisch sehr gut zu machen und es ergibt sich ein eindrucksvoller Kurs von der turbulenten „Ecke Schönhauser“ durch die Häuserfluchten des klassischen Prenzelbergs zum Helmholtzplatz. Da ein Besuch der Legien-Siedlung auch das Thema Stadtgrün zum Schwingen bringt, galt es hier auf dem "Helmi", sich das Bild des großen quaderförmigen Spiel- und Parkkörpers einzuprägen, umgeben lückenlos von gleich hoher, altertümlichen Stuckfassade. Diese Straßenkorridore, wie sie Bruno Taut damals kritisch nennte, lösen sich erst ein wenig auf in Nähe des Ringbahngrabens. Dort stehen die formschönen Schulpaläste des Jahrzehnte regierenden (und herrschenden) Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann. Unter ihm war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts verboten worden, Hinterhöfe und Seitenflügel auf die neuen Bauparzellen zu setzen. Stattdessen umhegen die quadratischen Häuserfronten nun große, abgeschlossene Gartenhöfe. Das Gelände zwischen der Ringbahn und der äußeren Radialstraße (Ostseestraße) hat davon viele Beispiele. Aber nicht auf einen dieser Höfe gelangt man als Passant!

Welterbe Arbeitersiedlung - endlich angelangt

Erst am Ende der alle verbindenden Erich-Weinert-Straße wird der Stadtraum auch für uns Zaungäste grün. Es ist die ausersehene Legien-Siedlung, eine der sechs Großsiedlungen, die 2008 ins Welterbe aufgenommen wurden. Der Unterschied fällt sofort ins Auge. Schnell wird auch sichtbar, dass hier nicht nur nach neuen sozialpolitischen Richtlinien gebaut wurde, sondern auch funktional, ehrlich. Der Stadtraum ist völlig anders organisiert, die Ästhetik von Taut ebenfalls neuartig. Das wirkt bis heute und überzeugt. Das Viertel für 4000 Menschen ist nicht groß und, ohne das das negativ auffällt, recht kompakt. Man möchte gerne in die grünen Höfe hineingehen, sich unter die Balkons lagern. Aber soweit geht die Offenheit nun doch nicht. Niedrige Hecken weisen unaufdringlich darauf hin, dass dieser Raum nicht betreten werden soll, jedenfalls nicht von der Straße aus. Gerne wäre ich mit der Gruppe in eine der Wohnungen gegangen. Aber wer der Mieter hätte das über sich ergehen lassen, zumal die Zimmer für heutige Verhältnisse klein sind und 80% der Wohnungen nicht über 2 Zimmer haben!? Der Standardflur 3,5 qm… Jedoch waren diese Wohnungen ausgesprochene Arbeiterquartiere, dabei preiswert und praktisch.
Fotos: Scheddin
Rietzestraße, Gartenseite. Nicht Welterbe, aber nicht schlechter.
Wenige Straßen weiter, nahe dem Ringbahnhof Greifswalderstraße (früher „Weißensee“, was ich besser finden würde) steht außerhalb des Welterbes ein weiteres topsaniertes Bruno-Taut-Ensemble. Ein schmales Grundstück zwischen Grell- und Rietzestraße, eng bebaut und dennoch scheinbar viel Garten. Expressiv wirken bis heute die Balkonanordnungen des langen Flügels. Eine der sicher gelungensten Fassaden des Architekten.