02.09.08

Bericht von der Wochenendreise nach Lauchstädt und Halle


Goethe-Theatereinlasskontrolleurinnen

Volkstheaterathmosphäre....

In den Kunstsammlungen der Moritzburg
Fotos: Scheddin
In der Marktkirche...H a l l e n s e r S a l z u n d L a u c h s t ä d t e r B r u n n e n
Meine 12 Gäste sind, glaube ich, sehr schnell und bequem mit dem IC nach Halle gefahren und vom Bahnhof mit bestellten Taxis nach Bad Lauchstädt. Die Eile war vonnöten, denn nur bis 11 Uhr kam die Führung ins Goethe-Theater hinein. Und das es möglich war, war etwas ganz besonders! Aber vielleicht geht da auch der Theaterwissenschaftler mit mir durch. Ein Theater ist immer wieder spannend in seiner Einheit aus Haus, Programm und Kunst. Ich war erstaunt, wie sehr dieses Theater aus der Goethezeit tatsächlich noch aus dieser Epoche ist (http://www.goethe-theater-bad-lauchstaedt.de/). Wie ein archaisch-technisches Wunder vergangener Zeit funktioniert tadellos die Bühnentechnik nach alter Hanfseil-Holztrommel-Methode. Der Kulissenwechsel, schnell, witzig und still durch Seilzüge… Wir waren auch im Keller der Bühne, wo das alles dank Zimmermannsarbeit bewerkstelligt wird. Goethe, der wie die Führerin sagt, nichts dem Zufall überließ, war hier sicher oft gewesen… Nach dem Theater kam das Bade-Thema. Und da Lauchstädt kein Badeort mehr ist, wurde es etwas musealer… Ein schöner Ort aber ist Lauchstädt und wirkte ganz wie ein kleiner verträumer Kurort. Vielleicht war auch das ideale Wetter schuld, aber wir haben uns alle in wenig verliebt in diesen Flecken.
Auch die „Zauberflöte“ von Mozart in der Inszenierung der Landes-Oper Halle hat nicht enttäuscht. War sogar die ideale Sache für diese alte Bühne und wirkte als das, was dieser herrliche „Schmarren“ von Mozart wohl auch ist: Zaubertheater mit bezaubernder Musik…Der Gesang der Mitwirkenden war recht unterschiedlich in der Qualität. Die Männer überwiegend etwas dünn in der Stimme, selbst der Mohr, der Bösewicht. Zurück nach Halle wieder flott mit Taxis und dort war vor und nach dem Abendessen noch ein kleiner Stadtspaziergang möglich. Abendessen wieder recht gut im "Mönchshof" gegenüber dem alten Salzbrunnen (
http://www.moenchshof-halle.de/)in der Talamtstraße. Das Hotel dann lag etwas außerhalb der Altstadt, aber dafür sehr ruhig. Ich bin hier treuer Stammkunde, weil mir die Art, wie das Hotel geführt wird, gefällt (http://www.cityhotel-halle.de/). Der Sonntag war dann ganz Halle gewidmet und begann mit einer Straßenbahnfahrt nach Giebichenstein, wo ich zunächst Reichardts Garten vorstellte und wir dann trotz Schließung in die Kunsthochschule „eindrangen“, die seit 90 Jahren in der Unterburg ihren Sitz hat. Für 2 € kann man dann auf die Oberburg, die allerdings nur noch mit den Fundamenten vorhanden ist und einem Turm und einem Keller. Aber das Gefühl, hier in einem ganz alten und wichtigen Ort aus der Entstehungzeit Deutschland zu sein, ist sehr intensiv. Schade trotzdem, das Krieg und Misswirtschaft die Burg zerstört haben. Es muss ein phantastischer Anblick gewesen sein, die eng aufragenden Gebäude auf dem Felsen so dicht an der Saale. Viele Berliner, auch ehemalige DDR-Bürger wissen eher nicht, wie schön und eindrucksvoll es hier an Halles Saale ist… Dieser Sonntag bot zudem noch ein besonderes Spektakel: Es war „Laternenfest“ auf den Peissnitzinseln und wir gingen mit den ersten Ausflügeln stadteinwärts und beobachteten das Öffnen der ersten Buden etc.. Ich war erstaunt über eine inzwischen erfolgte Namensänderung. Die Fritz-Weineck-Straße, der Uferweg, heißt jetzt Rivastraße (nach einem Bürgermeister) und das Weineck-Denkmal ist weg. Halle verleugnet seine proletarische Tradition… eine freiwillige Verarmung (Weineck war „Der kleine Trompeter“, das wohl bekannteste Opfer der Kämpfe mit den Nazis vor 1933 und Gegenstand eines Liedes, das wohl jeder DDR-Bürger einst gut kannte). Die Verarmung Halles ist überhaupt so ein Thema… Halle, die Stadtverwaltung, die Kirchenleitung etc. könnte mehr aus der Stadt machen. Mehr aus den Großen der Stadt, dem Erzbischoff, dem Francke, der Hoffmann, dem Grünberg, dem Feininger und vielen anderen. Einem Sonntags-Reiseführer wird ein wahres Meisterstück abverlangt, wenn die Gäste z.B. alle Kirchen auch von innern sehen möchten. Der Dom hat gar nicht geöffnet, obgleich renoviert, die Marktkirche nur zwei Stunden, die Moritzkirche sollte nicht geöffnet sein, nein doch um 12, hatte dann aber ab 13 Uhr auf und für die Burgkapelle der Moritzburg muss man Dienstag oder Donnerstags noch mal nach Halle kommen. Das Gleiche beim Geiseltalmuseum: Sonntags geschlossen und der Hof der Neuen Residenz ebenfalls. Aber keine Angst: Es gibt so viel zu sehen und zu staunen in der Saalestadt, so dass man an einem Tag nicht einmal die Hälfte wahrnimmt. Wir waren zwar im Salinemuseum, haben aber weder der Scheibe von Nebra, noch den Frankeschen Stiftungen einen Blick gegönnt. Und haben auch nicht die Märkerstraße und den Großen Berlin, also auch nicht das Stadtmuseum gesehen. Und in die Moritzburgsammlung – moderne Kunst 20. Jahrhundert – haben wir auch nur einen schüchternen Blick geworfen. Waren aber in den schönen und interessanten Gassen der Altstadt zwischen Ullrichstraße und Markt und in der immer wieder umwerfenden Marktkirche (dort allerdings muss man für einen Blick auf Luthers Original-Totenmaske jetzt Euro berappen…!) und sahen auch in die Moritzkirche mit ihren wunderbar eigenwilligen Plastiken des Parlerschülers Konrad Einbeck. Gut und sehr erholsam war die Mittagspause in der Gaststätte "Saalekahn" (http://www.ankerhofhotel.de), die wir bis zur Cafezeit ausdehnten und dann allerdings ein wenig knapp Zeit hatten für Halles einmaligen Friedhof mit dem trefflichen Namen „Stadtgottesacker“ – wie die Marktkirche ein Werk der großen Renaissancepersönlichkeit Nickel Hoffmann. Halle hätte bei mehr Verantwortung in den letzten Jahrzehnten für seine Substanz spielend das Zeug fürs „Weltkulturerbe“ gehabt. Und hat diese Chance wohl immer noch. Ob allerdings das neue Dach über der Moritzburg, das zwar den Regen abhält, aber den Blick beleidigt, dazu beiträgt, wage ich zu bezweifeln.
Ich bin trotzdem oder gerade deshalb immer wieder sehr gern in Halle und wünschte, die Berliner nähme von ihrer alten, stolzen, grauen Nachbarin mehr Notiz.