20.11.07

Nachtrag zur Führung in Oranienburg

Mahnmal von Fritz Cremer vor dem Schloss


Im Hof der ersten KZ für Berliner - hier starb Erich Müsam


Die Gruppe vor dem Schlossparkportal (von A.Nering)


Oranienburg
Viele Jahre habe ich mich mit dem Gedanken getragen, in O. zu führen, ohne es umzusetzen.
Zu sehr war die Stadt für mich durch KZ, Militär, Krieg, Bomben, SS und SA „besetzt“. Auch die Umwandlung der Schloss-Kaserne wieder in ein von den Niederlanden geprägtes wertvolles Barockbauwerk hatte daran zunächst wenig geändert. Den letztlich entscheidenden Impuls gab die Landesgartenschau Brandenburgs, die 2009 in Oranienburg sein wird.
Obgleich wir am Tag der Führung so richtig trübes Wetter hatten und die Berliner nach bahnstreikgeschädigt lieber zu Hause blieben – ich habe meinen Entschluss nicht bereut. Und ich hoffe, die 4 Damen, die die Führung mitmachten, auch nicht.
Unser Kurs ging zunächst durch das gründerzeitliche Oranienburg vom Bahnhof Richtung der ehemaligen Auerwerke zum Luise-Henriette-Steg und hinüber über die Havel zum Landgerichts-Viertel. Das sind keine schönen „Ecken“ – aber hier liegen historisch wichtige Punkte versteckt, von denen das „Konzentrationslager der SA-Standarte 208“ erwähnt sein soll. Ich halte es für eine äußerst wichtige Gedenkstätte der Stadt und des Landes. In einer Kindl-Brauerei wurde gleich mit Beginn der Nazi-Herrschaft ein Arbeits-, Zucht- und Umerziehungslager eingerichtet. Ein Stamm- und Musteranlage für Deutschland, gedacht für Politiker und Intellektuelle vor allem Berlins. Es wurde zwar ein gutes Jahr später wieder aufgelöst – aber alle typischen Eigenschaften der KZs wurden hier gewissermaßen gefunden und ausprobiert. Die Rechtlosigkeit der Inhaftierten, der Terror, der Drill, die Arbeitssklaverei, die Bürokratie und die ungenierte, berechnete Öffentlichkeit des Ganzen. Die Stadtverwaltung billigte von Anfang an freiwillig das Geschehen und setzte die Arbeitskräfte zu Billigstlöhnen, die die SA kassierte, für „Verschönerungsarbeiten“ in Oranienburg ein.
Solcherart eingestimmt, besichtigten wird anschließend die zerbombten Altstadtviertel der Stadt und den Wiederaufbau – der bis heute anhält. Am neuerrichteten Bötzower Platz aßen wir beim „Italiener“ gut zu Mittag und freuten uns auf die Schlossbesichtigung. Oranienburgs Schloss kann sich wirklich sehen lassen! Hier wurde eine gute Konzeption hervorragend verwirklicht! Das niederländische Erbe ist für Preußen, weil es am Beginn des Neuanfangs nach dem 30jährigen Krieg stand, von zentraler Bedeutung. Und dies wird in den best erhaltensten und wichtigsten Räumen des Schlosses erzählt. Einst wurde es aus einem Jagdhaus als Residenz für die Oranienprinzessin und Kurfürstin Luise Henriette errichtet, dann ausgebaut als Sommerresidenz für ihren Sohn, den späteren König. Dessen Sohn wieder, der „Soldatenkönig“(ein schlechter Name eigentlich für ihn), hat die Pracht des väterlichen Schlosses verachtet, vieles verkauft und zerstreut. Aber er hat den wesentlichsten Gedanken Luises als Staatspolitik angenommen und umzusetzen begonnen: Gutes und Nützliches schaffen durch Fleiß, Disziplin und moralische Integrität. Das Schloss also ist heute nicht mehr prachtvoll und die Neugestalter haben mit Recht und zum Glück den Dresdner Grüne-Gewölbe-Effekt nicht gewollt. Sie zeigen uns in einer demonstrativ sparsamen Barockausstattung (und das ist für meinen Geschmack eigentlich üppig genug…!) Gemälde, Kunstgewerbe und Möbel aus dem Erbe Luises und ihres Gatten, des Großen Kurfürsten. Erstaunliche Stücke tauchen da auf und erzählen über unsere Geschichte – beispielsweise die Elfenbeinmöbel aus Brasilien, der einstigen Kolonie der Niederlande, die der junge Kurfürst in Amsterdam ersteigert hatte.
Wenig Zeit blieb uns für eine Besichtigung der Baustelle der Landesgartenschau. Zum Glück liegt sie gleich hinter dem Schloss und neben dem alten Park. Auch in Oranienburg auf ehemaligem geschundenen Militärgelände! Die Arbeiten scheinen erstaunlich weit vorangeschritten. Die neuen, zimmerartig wirkenden Gärtchen sind schon gut zu erkennen, das neue Hafenbecken wird gerade abgeteuft, die Gracht-Promenade an der Havel ist ausgehoben und die zukünftige Gebäudegerüste stehen.
Das Motto der neuen Gartenschau scheint mir mit „Luise-Henriettes Gartenträume“ etwas zu blumig-romantisch gewählt…aber dass die Oranienburger auch heute noch neben dem Schönen - wie im barocken Zeitalter Luise Henriettes - das Praktische pflegen, zeigt die Umnutzung des gesamten Schlossgeländes. Selbst ein schlossähnlicher, epigonaler Bau von 1938 für die SS-Polizeischule (später Agentenseminar, dann Grenztruppen der DDR) ist gefällig restauriert und dient der Stadtverwaltung. „SCHMERZ – GEBÄRE TAT“ ist der Titel einer schon 1948 den Oranienburgern vor dem Schloss aufgestellten Skulptur. Auch Schmerz muss lebendig bleiben. Das scheint mir nicht einfach, denn es ist unangenehm.
In Oranienburg gibt es einen kleinen gedruckten Stadtrundgang. Das Denkmal für das KZ-Oranienburg ist nicht erwähnt…