18.08.07

Nachtrag "Königliches Krakau"

Kirche "Arche des Herrn"
Unser BusfahrerPaar der Firma LIMBA
unter Mönchen....
Großér Krakauer Marktplatz

Jede Reise nach Krakau beginnt mit einer ziemlich langen Zug- oder Busfahrt, falls man nicht fliegen will, wie ich. Ich halte es für wichtig für eine kulturgeschichtlich orientierte Fahrt, die Landschaften zwischen Berlin und dem Zielort wahrzunehmen. Da die Zugverbindungen keinesfalls den Anforderungen entsprechen, fuhren wir zunächst mit dem EC bis Schwiebus und stiegen in den Reisebus aus Gorzów um. Um 14 Uhr zweigten wir dann von der Autobahn Richtung Auschwitz-Birkenau ab. Regengüsse, die uns fast zum Abbruch der Fahrt zwangen. Doch während der Besichtigung in den ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern beruhigte sich das Wetter. Ich hatte mich bei den vergangenen Krakaubesuchen um diese Besichtigungen herumgedrückt – aus Furcht, dem Ungeheuerlichen ins Auge blicken zu müssen. Nun stellte ich fest, dass der Eindruck kein wesentlich anderer als in dem mir gut bekannten Sachsenhausen und Buchenwald ist. Besonders in Birkenau, der eigentlichen Tötungsfabrik ist es der SS gelungen, die baulichen Einrichtungen zu zerstören.
Und wer hätte für museale Zwecke die als Duschräume getarnten Gaskammern und die gleich daneben liegenden Verbrennungsöfen wiederaufbauen wollen oder können!? Wem Wissen, Fakten und Fantasie in Birkenau nicht auf die Sprünge helfen, dem bleibt in dem mit Grün überwachsen und von Touristen aller Länder besuchen Ort das Unfassbare unfassbar.

Unser zweiter Tag war dagegen vergleichsweise einfach. Und auch das Wetter hatte sich gebessert. Wir trafen unsere Krakauer Stadtführerin, die uns bis in die Nachmittagsstunden zu wichtigsten Orten der Stadt führte, bzw. dort Eintritt verschaffte. Und wir hatten Glück mit ihr! Teresa ist klug, charismatisch und attraktiv – alle waren froh, sie am 3. Tag noch einmal wieder zu treffen. Zunächst ging es auf den Wawal mit dem Königsschloss und der wichtigsten Kathedrale des Landes (Wer weiß, wie wichtig den Polen Kirchen sind, kann den Rang dieses eigentlich nicht sehr großen Bauwerks einschätzen…). Leider war kein Eintritt in den Grüften möglich, so dass wir weder den Sarkophag von August dem Starken noch von Pilsuski sehen konnten. Auch der Blick über die Stadt und die Weichsel von der Drachenhöhle oder ein Aufstieg im Siegismundturm der Kathedrale unterblieb zugunsten der lockenden „touristischen Angebote“ der Altstadt, von denen die Marienkirche und das alte Hauptgebäude der Universität von Teresa mit besonderer Liebe uns dargeboten wurde.
Auch die Mittagsstätte, von ihr ausgesucht, hat allen gefallen – vor allem weil es sich nicht um ein Touristenrestaurant, sondern eine Gäststätte am Rande der Altstadt mit solider polnischer Küche handelte. Wer es am späteren Nachmittag wollte, den führte ich durch die „ergänzenden“ Stadtteile – über den berühmten Krakauer Grüngürtel zum Florianstor und ins idyllischen Café „Camelot“. Ich habe lange kein so gutes Eis gegessen! Schwieriger war des dann schon mit dem Abendessen, das wir auch in der Altstadt und nicht im vergleichsweise schlichten Hotel einnehmen wollten. Es war nicht leicht, spontan etwas zu finden – ungeheuer viel Menschen unterwegs, viel reserviert oder nicht das richtige Angebot.
Man muss sich schon gut in der Stadt auskennen, um für eine Gruppe spontan eine Abendgaststätte zu finden…
Am zweiten Tag habe ich das anders gemacht, aber wieder auf die Einkehr im Hotel verzichtet. Zunächst brachte der Tag einen sehr beeindruckenden Vormittag in Nova Huta und den jüdisch geprägten Stadtteilen. Nova Huta, die einstige sozialistische Vorzeigestadt hatte ich mir eigens von Teresa gewünscht zu sehen. Sie war darüber überrascht und meinte, dies sei selten auf der Wunschliste der Touristen und bereitete sich eigens für uns vor. Wie sie uns dann Straße um Straße, Story um Story mit unserem Bus durch die Arbeitersiedlungen, Grünanlagen, Denkmalplätze zum Stahlwerk und dann in die Geschichte des Kampfes um die Kirche „Arche des Herrn“ führte … gehörte zum Besten, was ich an Stadtführung bisher erlebt hatte. Mir wurde klar, dass dieses Ringen um eine Kirche in Nova Huta, das mit der Niederlage der Funktionäre und dem Bau eines ganz besonderen Gotteshauses endete, der Anfang vom Ende des Staatssozialismus war. Ein Jahr später, 1978, wurde der Mann, der wahrscheinlich auch im Hintergrund dieser Schlacht die Fäden zog, Pabst in Rom und bald zum mächtigsten und einflussreichsten Mann der Welt.
Wenige Minuten später war unser Bus dann im einstigen Krakauer Ghetto. Nicht die Reste der Ghettomauer haben sich mir hier tief eingeprägt, sondern die zu einem Denkmal umgeschaffene Emaille-Fabrik von Oskar Schindler. Nur wer die Größe dieser Fabrik sieht und die Nähe zum Ghetto, begreift warum Schindler nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein war… sondern elementar und wirkungsvoll dem System des Grauens etwas entgegensetze.
Mir war sehr nachdenklich während der Mittagseinkehr – mitten im einst größten jüdischen Viertel der Welt. Heute leben in Stadtteil Kasimirsk gerade 170 Juden. Und bezeichnender Weise besuchten wir mit Teresa den ältesten Friedhof der Gemeinde, der gemeinsam mit der REMU-Synagoge als Einzeldenkmal auf der Weltkulturerbeliste steht.
Der Nachmittag, als Freizeit ausgeschrieben, galt den Museen. Wer wollte, konnte in den bedeutenden Sammlungen des Nationalmuseums stöbern oder die wichtige Ausstellung zur 750 Jahrfeier des Magdeburger Stadtrechts wahrnehmen. Oder einfach sich durch die Straßen treiben lassen (wie es mir mehr oder weniger ging). Auf der Suche nach der besten Abendgaststätte habe ich Krakau so richtig genossen, Fotos gemacht und, ach ja, noch einmal Eis im „Camelot“ gegessen (aber weder „Lody“ noch Kellnerin waren dieselben).
Der Zauber dieser Stadt scheint mir ihr eigentümlich junger Geist in alten Mauern. Kaum etwas in der Altstadt ist blitzend oder neu oder so blank saniert wie bei uns. Das Alte wirkt, als sei es in seiner Patina erhalten und doch im Inneren stabil und jung.
Am 4., dem Heimreisetag, hatte ich vorgeschlagen, in der Umgebung Krakaus zu verbringen.
Erfolgreich hatte ich den Besuch des ehemaligen Salzbergwerks ausgeredet und bin mit unserem Bus in die entgegengesetzte Richtung in den Wolski-Wald und an die Weichsel gefahren. Dort gibt es zwei Klöster aus romanischen Zeiten, die immer noch oder wieder besetzt sind. Schön steht mit wehrhaften Mauern auf weißen Felsen das Benediktinerkloster von Tyniec und zu seinen Füßen haben wir außerdem einen wunderbaren Spaziergang auf dem Deich der Weichsel machen können. Wie sehr die Polen ihre Kirchen und Klöster lieben und brauchen, fühlten wir dann noch einmal eindringlich angesichts der Völkerwanderung zum Maria-Himmelfahrt-Andacht der Mönche des geheimnisvollen Kamaldusen-Klosters auf dem Berg im Wald über der Stadt. Wir reihten uns ein, gingen aber nicht in den Gottesdienst. Ein Akt der freiwilligen Abgrenzung, den ich eigentlich bedauere.
Der Rest des Tages galt einfach der zügigen Rückfahrt. Das diese klappte, verdankten wir unserem vorzüglichen Busunternehmen. Ich nutze die Firma „Limba“ aus Landsberg in Polen schon 15 Jahre – doch nie war eine Reise so gut gestimmt wie diese. Lech und seine Frau Mira lösten sich am Steuer ab und ihr gutes Verhältnis zu einander wirkte auch auf die Gäste ihres Busses – zumal sie nicht nur steuerten, sondern für jede unserer Wünsche und Sorgen eine Lösung hatten.
Leider standen wir – dank Verspätung des EC – anschließend 45 Minuten auf dem Bahnsteig von Schwiebus herum, bis wir Richtung Berlin eingesammelt wurden.
An der Fahrt haben 22 Berliner teilgenommen, die hoffentlich eindrucksvolle und schöne Stunden erlebten.