02.02.07

Nachtrag für den 31. Januar 07

Der Schluss: Homburg kann nicht sterben


Vor der Aufführung von der Aufführung nichts
Führung
Berühmte Berliner Bühnenund Theaterbesuch: Prinz Friedrich von Homburg

Führung im alten und immer noch lebendigen Berliner Theaterviertel am Bahnhof Friedrichstraße. Ein voller Tag, denke ich! Und vielleicht ein wenig anstrengend, auch wenn im Programm ein Abendessen war. Diese Einkehr übrigens war gut - im einzigen Restaurant der nahen Gegend - "San Marino" hinter dem Maxim-Gorki-Theater und gegenüber der Museumsinsel - ganz neu am Platz. Als Vorbereitung für die Abendvorstellung habe ich zuvor 90 Minuten rings um die Weidendammer Brücke geführt und dabei von den Wurzeln der Bühnengeschichte dieses immer noch so aktiven Viertels erzählt. Für mich von großem Wert war hierbei die Betretungsmöglichkeit im ADMIRALSPALAST, denn hier hatten wir einen der wichtigsten und interessantesten Orte Berlins vor uns. Davon zu erzählen - mit der Gruppe in der Kaiserloge stehend, Blick auf die Bühne, wo am Abend Max Raabe auftreten wird, war Klasse! Vielen Dank der Öffentlichkeitsarbeit der ARENA-Veranstalter, die jetzt die Bespielung dieses Hauses verantworten.
Auf einem seit 25 Jahren kahlen, brachen Ort standen wir danach: Hier spielte einst der Zirkus Renz, das erste 6-Tagerennen, das Revuetheater Charells mit dem Kabarett SCHALL UND RAUCH im Keller und der erste KESSEL BUNTES kurz vor dem Abriss als "Friedrichstadtpalast". Sehr spannend ist es für mich, an diesem Ort zum direkten Nachbarn - dem BE - überzuleiten und von der universellen Arbeit Brechts zu erzählen, der in seinen letzten Jahren ja auch in einem Tempel der leichten Muse, einem Operettentheater inszenierte. Brecht hat sich immer über die deutsche Unterscheidung in U- und E-Kunst amüsiert. Wer an diesem Abend mit dabei war, konnte gleich den Unterhaltungwert der "ernsten Kunst" im Maxim-Gorki-Theater testen. Für mich war es das Spannendste und damit auch Unterhaltendste seit langer Zeit! Das lag nicht daran, dass Regisseur (und Intendant) Armin PETRAS Songs aus der sogenannten Unterhaltungsmusik verwendete (und die BÖSEN ONKELS wollten, denke ich, auch keine Unterhaltungsmusik machen...!). Vielmehr war es, dass ich mich mitgenommen, hineingerissen fühlte in eine Experiment. Teilnehmer eines Versuches. Und der hieß schlicht: LEBEN. Der uns den Versuchsaufbau hinterlassen hat, ist Heinrich von Kleist mit seinem Text "Prinz Friedrich von Homburg". Für dieses Stück hatte Kleist eine geniale Idee. Er zeigte im glücklichsten, im ersten wirklich glorreichen Moment der Berlin-Brandenburger Geschichte, der siegreichen Schlacht von Fehrbellin, die Helden, die Täter dieses Moments als suchend, unsicher und ohnmächtig. DAS aktuell und greifend auf die Bühne zu bringen, erfordert kongeniale Einfälle für den Zündfunken, die Textfassung, die Bühne.
Denn kaum etwas kann heute schneller und kälter tot sein auf dieser Bühne als ein "Kleist". DER hier lebte! Das lag nicht mal in erster Linie an der Darstellungskunst des Homburg oder den Lebens- und Rettungsversuchen der anderen (mich hat besonders seine Verlobte Natalie berührt) sondern im Gesamten, im Milieu, das ich hier trotz seiner hohen Kunstnatur intensiv gefühlt habe und das eine Bühnenwirklichkeit schuf, die offensichtlich den Darstellern Boden unter den Füßen und einen tiefen Raum für die Sprache gab.
Zuschauer im anschließenden Foyergespräch mit der Dramaturgin zeigten sich über die widersprechenden Gefühls-Taten der Darsteller verwirrt. Ich spürte da etwas anderes, ja, entdeckte etwas in meinem Leben Parallel-Verschlüsseltes: Ich unternehme so viel Versuchtes, Variiertes, Bemühtes vergeblich - doch andererseits erfolgte so viel schon nur aus Scherz, aus Trotz und Übermut, dank Andeutung und Zufall. Welche Momente werden wahr, warum und wie? Und weshalb werden so viele nie ENTPACKT - um einen Begriff aus der Datenübertragung zu entleihen?!
Zuletzt rangiert für mich an diesem Tag, die extra vor der Vorstellung arrangierte Führung für unsere Gruppe durch das Haus des Theaters, ehemals die Singakademie, einst auch Festsaal der russischen Kultur. Das hat mich persönlich nicht sehr gepackt, wenn auch die Kollegin engagiert war, war die Art recht herkömmlich und an manchen Stellen schien mir nicht bedacht, dass Erzählen über alte Zeiten vielleicht für manchen gar nicht so interessant sein muss.