"Allerlei Geister" am Sonnabend, 27. Juni 2015
Auch dieser Termin war sicher noch vom Poststreik gestört, denn es nahmen nur 11 Gäste teil....
Vielleicht
habe ich auch etwas übertrieben in der Programmvorschau mit der Länge
von 3 Stunden. Tatsächlich waren es dann nur zweieinhalb plus eine halbe
Stunde erholsame Einkehr im Cafe am Friedhof - Bergmannstr. 42. (www.cafestraussberlin.de
.... guter Kaffee, originelle "Schnittchen" und echt guter Kuchen). Die
Führung fand also statt - und ohne Regen oder weitere Störungen oder
Anstrengungen. Ich glaube, es war für alle Teilnehmer eine Überraschung,
wie viele Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Stadt, aber vor
allem aus dem "Quartier latin" Altberlins hier die letzte Ruhe gefunden
haben. Darüberhinaus ist die Gartenanlage seit der Gründung 1825
beibehalten worden - entworfen nach dem Herrenhuter-Reformen und dem
Idealfriedhof in Dessau. Natürlich ist der Ort kein Museum, sondern vor
allem aktuelle Bestattungstätte, aber gemeinsam mit dem
Dorotheenstädischen in Mitte und dem Mattäusfriedhof in Schöneberg
findet der kunst- und geschichtsinteressierte Besucher hier die meisten
und wenn ich so sagen darf schillerndsten Namen Berlins auf einem
Friedhof. Der Schwerpunkt liegt dabei klar einmal in der Epoche um 1800
und sichtbar noch einmal 100 Jahre später, wo ausladende Grabanlagen des
Historismus von Experimenten des Jugendstils abgelöst werden. Über
manche der Prominenten findet man in der Berlin- oder
Deutschlandgeschichte oder der allgemeinen Kulturgeschichte viel und
sehr viel Material - sei es ein Politiker, wie der erzkonservative
Adolf Stoecker, berühmter Gegner Bismarcks oder die Familie Gropius oder
Charlotte Marschalck von Ostheim, die maßgeblich das Frauenbild von
Friedrich Schiller prägte oder aber der Dichter August Kopisch, durch
den die "Heinzelmännchen" in unserer Sprache geflügelt wurden.
Hier sein deshalb noch ein Hinweis vermerkt auf weiterführende Literatur.
Für
Schiller und Charlotte ist es u.a. ein Buch von Ursula Naumann
"Charlotte von Kalb. Eine Lebensgeschichte" und eine (private) Webseite
einer Schiller-Fachfrau www.schiller-biographie.de
Beeindruckende Grabwand, suggestives Porträt. Der Architekt Heinrich Kayser (u.a. Truman-Villa am Griebnitzsee)
Schönes Grab für eine schöne Frau - Goethes "Iphygenie" in Weimar: Amalie Wolff.
Ein Star der Goethezeit. Amalie Wolff porträtiert vom Maler Tischbein.
Würdiges Grabmal für einen Architekten: Familienstätte Gropius
Sie verfolgen ihn bis heute: Ein Heinzelmännchen im Efeu über Kopisch.
Mode zur Zeit der Reichsgründung....
Sichtbar ein stattlicher Mann, selbst ohne Nase: Friedrich Schleiermacher.
Ein historischer Winkel des Friedhofs mit dem Granit für Tieck.
Natürlich lohnt es auch (immer wieder) die Kugler-Biographie Friedrich des Großen zur Hand zu nehmen mit den Illustrationen des damals 25jährigen Adolph Menzel, der bekannterweise auch in der Bergmannstraße seine Ruhestätte hat oder eine Novelle von Ludwig Tieck aufzuschlagen bzw. seine berühmte Satirefassung des "Gestiefelten Katers".
Zur Anregung und weil es einen Bezug zum Titel der Führung gibt, abschließend eine Gedicht. Nicht etwa die "Heinzelmännchen von Köln" aus dem Jahre 1836 sondern vom Beginn des 20. Jahrhunderts, das u.s. die damals ungebrochene Popularität August Kopisch zeigt und sehr schön geeignet ist, um Kindern Spaß an Gedichten zu bereiten....
Börries Freiherr von Münchhausen
Das alizarinblaue Zwergenkind
Nein, was hab ich gelacht!Da kommt doch diese Nacht
Ein kleinwinzig Zwergenkind
Aus dem Bücherspind
Hinter Kopischs Gedichten hervor
Und krebselt an meinem Schreibtisch empor.
Trippelt ans Tintenfaß:
"Was ist denn das?"
Stippt den schneckenhorndünnen Finger hinein,
Leckt,- "Ui, fein!"
Macht halslang, guckt dumm
Nochmal in der ganzen Stube rum,
Gottseidank, allein!
Zwergenvater begegnet sich selber im Mondenschein,
Mutti, um was Gescheiteres anzufangen,
Is e bissel spuken gegangen.
Da knöpft es sein Wämschen ab,
Hemd runter, - schwapp!
Spritzt's ins Tintenbad hinein,
Taucht, plantscht, wischt die Augen rein,
Pudelt
Und sprudelt,
Nimmt's Mäulchen voll,
Prustet ein Springbrunn hoch zwei Zoll,
Streckt's Füßchen raus, schnalzt mit den Zeh'n,
Taucht, um mal auf'n Kopf zu stehn, -
Endlich Schluß der Bade-Saison!
Klettert raus, trippelt über meinen Löschkarton,
Schuppert sich, über und über pitsche-patsche-naß,
"Brr, wie kalt war das!"
Ist selig, wie es sie zugesaut,
Und kriegt eine alizarinblaue Gänsehaut.
Nun trocknet sich's auf dem Löschpapier,
Probiert dort und hier,
Was da für'n feines Muster bleibt, -
Als ob einer, der schreiben kann, schreibt!
Ein Fußtapf, - wie 'ne Bohne beinah!
Ein Handklitsch, - alle fünf Finger da!
Nun die Nase aufgetunkt,
Lacht schrecklich: Ein richtiger Punkt,
Ein Punkt!
Wo's aber gesessen hat
Auf dem roten Blatt, -
Wie's da hinguckt,
Da hat's ein Dreierbrötchen gedruckt,
Ein kleinwinziges zweihälftiges Dreierbrot,
Blau auf rot!
Erst lacht's. Dann schämt sich's. Und dann
So schnell es kann
Am Tischbein runter,
Durch den Mondenschein
In Schrank hinein!
Ein Weilchen noch hinter den Büchern her
Hörte ich's piepsen und heulen sehr,
Hat so arg geschnieft und geschluckt,
Weil es das - Dreierbrötchen da hingedruckt!
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