23.03.14

Bericht "Fritz und fertig!" in Potsdam

POTSDAMS alte neue Mitte. Was fertig oder gar ein wenig perfekt ausschaut, ist alles andere....
Seit dem wir vom Preußenkönig  Friedrich II. den 300. Geburtstag gefeiert haben, verwende ich ab und an sein Image und seinen Namen, um thematischen Stadtgängen einen Namen oder ein Profil zu geben. Fast wie ein Aphorismus wirkt der Titel hier bei dieser Führung - und ist auch ähnlich ungenau und ungerecht wie die meisten Aphorismen ja (andererseits) sind. Potsdam ist alles andere als "fertig" und das Friderizianische, was in dem "Fritz" stecken könnte, ist noch lange nicht das, was es einmal war - es sei denn, man nimmt das Kulissenhafte als etwas Charakteristisches an Friedrichs Stadtumwandlung in Potsdam.  Denn auch heute werden wieder Fassaden rekonstruiert - und es bekommt der Stadt nicht schlecht. Vielleicht ist auch das etwas, was mit "Fritz und Fertig" assoziiert: Etwas ruck zuck fix und fertig hinbekommen, irgendwann aufhören mit diskutieren, erwägen, errechnen, vergleichen und den Hammer fallen lassen.
Weg mit dem Hotel! Aber warum? Weil des nie dort war! Doch, beinahe 50 Jahre lang.....
Diskussion hinterm Hotel: Über ein Denkmal für Liebknecht von Theo Balden
Wir haben jedenfalls durch den Neubau des Potsdamer Landtages in Form des Potsdamer Stadtschlosses in der Brandenburger Landeshauptstadt in doppeltem Sinne eine neue Mitte - baulich/stadtbildlich und ideell/politisch. Eine einfache und überzeugende Lösung. Warum der Weg dahin so lang und konfliktreich war, ist im Nachhinein kaum mehr zu verstehen. Man kann es aber sehr gut nachlesen auf der Webseite des Landtages.
Originalputte, unzerstört, nicht abgerissen - Lustgartenmauer
Als ich in Potsdam 1968 auf die Erweiterte Oberschule kam, begegneten mir erstmals Pläne und Modelle eines Umbaus, eines Wiederaufbaus der historischen Stadtmitte um den einzigen Havelübergang, die Lange Brücke, herum. Dieser Übergang macht die Örtlichkeit automatisch zur Stadtmitte. Damals stand statt des Schlosses ein Stadttheater stolz in der Stadtmitte des Stadtmodels. Nach 20 Jahren war es dann bis zur "Wende" zu einem Rohbau gekommen. Der wieder eingerissen werden konnte, weil er nur ein Anfang war. Was wäre, wenn dieser Bau - und das war eigentlich so geplant - Jahre früher fertig geworden wäre? Mein damaliger Kollege, der Schauspieler und Regisseur Gerd Staiger, hatte sich, als der Abriss beschlossen war, mit dem Baukran an dem Rohbau des Bühnenhaus hochhieven lassen, um ein riesiges Kreuz auf die Wand zu pinseln und die weit und lange noch sichtbare Widmung: "Hier ruht Ihr festlicher Theaterabend".
Was wäre an dieser Stelle entstanden, hätten die Potsdamer Abgeordneten sich für einen echten Neubau am gegenüberliegenden Havelufer, sehr schön gelegen, direkt unterm Brauhausberg, entschieden. Auch das war eigentlich schon Beschlusslage.
Was wäre, hätte, als umgeschwenkt wurde, um den Landtag quasi auf den Fundamenten des Schlosses zu errichten,  n i c h t  eine Bürgerinitiative, von Hasso Plattner maßgeblich unterstützt, mehrfach im Laufe des Planens und Bauens eingegriffen, um wirklich, soweit als möglich den Knobelsdorff-Bau, die Residenz Friedrich des Großen zu errichten?
Was heute so selbstverständlich in Potsdams neuer Mitte steht, war wirklich alles andere als Selbstverständlich. Es hat durchaus etwas Absurdes, Sensationelles, dass ein moderner Landtag sich das Schloss eines Feudalfürsten als zukünftigen Sitz wiedererrichten lässt. Die Demokratie wählt die Hülle einer einst absoluten Machtdemonstration. Eines Fürsten nicht irgend eines Kleinstaates, sondern eines Landes, das von den Siegermächten der Antihitler-Koalition 1947 aufgelöst wurde, da eingeschätzt wurde, dass die preußische Politik unter just diesem Friedrich mit  d e m  begann, was im größten Krieg aller Zeiten, dem zweiten Weltkrieg, endete.
Wer heute eine Führung in diesem Landtag buchen möchte, wird einen Termin im Dezember bekommen. Und  das, obgleich das Team der Öffentlichkeitsarbeit mit mehreren Mitarbeitern rund um die Uhr angemeldete Gäste durchs Haus führt. Auffällig groß also ist das Interesse an Potsdams neuem Mittelpunkt - in Berlin-Brandenburg, in ganz Deutschland und in Europa.
Bei meiner eigenen Führung war es nicht möglich, in den Plenarsaal oder einen anderen Funktionsraum zu schauen, wir taten das, was alle dürfen, die in den Landtag möchten: Ins Foyer gehen, die beiden Treppenhäuser bewundern und auf der Dachterrasse einen leidlich guten Kaffee oder ein Mittagessen der Landtagskantine genießen. Das aber war nicht wenig, ja es war ein Höhepunkt. Die Betretung dieses Gebäudes, die Entdeckung seiner Schönheit und Brauchbarkeit, so oberflächlich das sein mag, war ein intensives Erlebnis!  Die Politik rückt vom Berg in die Stadt. Der weltberühmte Potsdamer Barock erfindet sich noch einmal selbst, ergänzt sich um sein bestes Stück und beginnt, ähnlich wie in Dresden mit der Frauenkirche, seine Stadtentwicklung in der City neu zu schreiben.
Um das zu verstehen und zu genießen ist ein Führung in die Umgebung sehr von Nutzen. Mein Stadtgang zeigte von der gegenüber liegenden Havelseite die Fernwirkung der historischen Mitte und umwanderte dann das heißdiskutierte Mercure-Hotel. Im einstigen Schlossbezirk der Breiten Straße entdeckten wir die historische Bausubstanz neben den Ergänzungen der Neuzeit. Wir stellten uns - beflügelt durch den Schlossaufbau - die neue Garnisonkirche vor.  Den Stadt-Kanal, der hier einst sein schönstes Stück hatte, kann sich jeder gut vorstellen, da in der Yorkstraße 200m Anschauungsmaterial stehen. Aber eine Kirche, die nicht existiert, eine Gemeinde, die sie nicht braucht, sich vorzustellen, das ist nicht leicht.
Andächtig im Rokokosaal Dortustraße
Der nächste Abriss kommt bestimmt. Das einstige Lehrerbildungszentrum und die Nikolaikirche

Dass es in dieser Gegend auch manch kleines Geheimnis gibt, zeigte sich in dem Dortu-Haus in der einstigen Waisenstraße. Hier existiert ein Rokoko-Saal in einer 150 Jahre alten Schule Potsdams, der uns von der Direktorin sympathisch vorgestellt wurde.
Die letzten Meter der Führung lenkte ich bewusst, bevor es in den beeindruckenden Hof des Stadtschlosses ging, in und durch das DDR-Bauensemble - das einstige Institut für Lehrerbildung, bzw. die Fachhochschule und den mit einem Innengarten architektonisch verbundenen Blockplattenbau am Platz der Einheit. Beide sollen abgerissen werden und stehen auch wirklich einen weiteren Rekonstruktion der barocken Mitte im Wege.


Blick übern Bauzaun: Hier entsteht das neue Palais Barberini  
Die Großräumigkeit, eine nicht nur in der DDR gepflegte Mode der 60er Jahre, die hier noch herrscht, wird durch Neubebauung verschwinden und nur auf das Stadtschloss und den Lustgarten beschränkt bleiben.
 
Neue Treppe im Landtag von Peter Kulka
Gewinn für Stadt: Die Landtags-Terrasse




Die nächste Führung "Fritz und fertig" ist schon am 3. April!