03.12.13

Neues Leben in Alt Cölln


Bericht der Führung vom 17.3.2011
Zweifelsfrei war es zu erst einmal unsere Gruppe, die neues Leben nach Alt-Kölln gebracht hat. Menschenleer schien das Viertel an diesem Donnerstagnachmittag – windig, feucht, kalt – und dann ist ein umherziehendes Grüppchen Berliner schon etwas Besonderes. Ich hoffe, dass ich den Teilnehmern auch etwas Besonderes geboten habe!
Gut vorbereitet auf eine Vorstellung der Vergangenheit....
Freundlich wurden wir vom Personal des Art-Hotel Berlin in die einstigen Räume des Ermeler-Hauses vorgelassen, konnten die Reste des Vorzeigequartiers des Berliner Bürgertums besichtigen. Vor der schönen Rokoko-Treppe nutzte ich des Gelegenheit, auf das vergessene zweite berühmte Barockhaus Berlins hinzuweisen: Das Possart-Haus an der Friedrichsgracht, dem derzeit auch einige Worte in der Ausstellung im Ephraim-Palais gewidmet sind („Die vergessene Mitte“). Überhaupt versuchte ich, Erinnerung wachzurufen an diese für manchen Berliner früher schönste Straße der Stadt: Die Friedrichsgracht. Wir gingen zwischen den Hochhäusern der sogenannten Fischerinsel an die Orte der berühmten, berüchtigten, beliebten Altberliner Querstraßen dieser „Gracht“ (Zille und Nagel zeichneten hier wie besessen) – schätzten ab, wo stand das Haus der Gaststätte „Zum Nußbaum“, wo die auf vielen Postkarten verewigte Petristraße Nr. 15, mit dem galeriegeschmückten Hof. Große Fotos, die ich eingeschweißt mitführte, sollten das erleichtern und die Vorstellung vom alten Berlin wachrufen. Einer meiner Gäste fragte, ob es nicht besser wäre, an das Trauerspiel von Bombardierung und Abriss nicht zu erinnern. Seine Anwesenheit bei der Führung bewies aber, trotz der mir vertrauten Neigung, lieber alles zu vergessen und zu verdrängen, dass eben die Neugier und die Suche nach Wahrheit eine noch stärkere Kraft sind.
Auf dem "Balkon" des HAUSES DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT mit Blick auf den Mühlendamm und das Nikolaiviertel
. Ich denke darüber hinaus, dass, wenn die Öffentlichkeit aus den Stadtvierteln verdrängt ist, der Willkür von Verwaltung und Unternehmertum Tür und Tor geöffnet sind. Wir müssen uns interessiert und engagiert zeigen an Einzelschicksalen der Stadt und Stadtgeschichte. Zum Beispiel dem der Petri-Gemeinde. Einst die stärkste, reichste und hoffnungsvollste der Stadt. König und Bürger wollte hier einen Kirchturm bauen – höher als der höchste Turm der damaligen Welt: höher als der Straßburger Münster. Heute ist diese Kirche nicht nur verschwunden, es droht auch die Gefahr, dass die neu organisierte und vereinigte evangelische Kirche in Mitte das letzte Lebenszentrum der Petri-Gemeinde in der Neuen Grünstraße auflöst und veräußert.
Das sehenswerte Treppenhaus des letzten auch innen erhaltenen Hauses der Friedrichsgracht - das Pfarrhaus von St. Petri
Wie bedeutsam die Köllner Petri-Gemeinde war (und ist!) zeigte eindrucksvoll auch unser Besuch auf der Ausgrabungsstätte am Petriplatz, wo uns die Leiterin Frau Melisch einen Überblick zu Ergebnissen der archäologischen Forschungen vor Ort gab. So wurde nicht nur die einzige hohe Schule des alten Berlins „ausgegraben“, die „Lateinschule“, auch vom Friedhof der Gemeinde wurden die Gebeine von mehr als dreieinhalb tausend Berliner Vorfahren entdeckt, untersucht und aufbewahrt, bis sie - vor zukünftigen Baumaßnahmen sicher - hier neu bestattet werden können. Was in der historischen Stadt neu gebaut werden soll, was aus den letzten alten, historischen Häusern, wie dem Nicolaihaus werden soll, dürfen wir nicht nur der Stadtverwaltung oder potenten Investoren überlassen. Das ist meine feste Überzeugung. Im Handumdrehen wird uns so die Stadt entfremdet und vor unseren Augen verriegelt. So geschehen mit dem Quartier Breite Straße – Mühlendamm, wo seit über 10 Jahren die deutschen Unternehmerverbände ein gemeinsames Haus nutzen. Mit Hilfe einer ehemaligen Mitarbeiterin gelang uns ein Besuch des Patios, des Lichthofs dieses Hauses und des Balkons zur Spree – aber welch Aufwand für diese einfache Betretung! Mehrfache Sicherheitssperren mussten bewältigt werden….
Frau Melisch erläutert im Keller der einstigen Latainschule die Ausgrabungen an der Petrikirche -
Ich werde im Mai diese Führung in Alt Kölln trotz ihres großen Vorbereitungsaufwandes wieder anbieten, ich hoffe, dass sich noch mehr Berliner als bisher dafür interessieren werden.