08.03.11

Bericht von der Führung durch Kleinmachnow 8.3.


Ein "Efeubaum" im Kirchgarten der Auferstehungsgemeinde Kleinmachnow.
Meine erste Zu-Fuß-Führung in dieser Berlin-Potsdamer Randgemeinde führte vom Machnower Busch durch die Gradnauer Straße, den Erlenweg, die Medonstraße, die Machastraße, ein Stück auf dem Zehlendorfer Damm, auf der Zetkin- und Geschwister-Scholl-Straße, führte durch die Fontanestraße und am Schluß auf die Tucholskyhöhe. Jeder Kenner des Ortes merkt: Hier ist nur ein Teil des Ortes "geschafft" worden. Dennoch benötigten wir mit An- und Rückfahrt drei Stunden und liefen fast 5 km. Herrliches, klares Spätwinterwetter.
Einige Damen der Gruppe vor der letzten Wohnstätte der Hildegard Knef (Erlenweg,Ecke Gradnauer).
Im Mittelpunkt dieses Internationalen Frauentages standen wirklich die Frauen Kleinmachnows und sie haben in diesem Teil des Ortes auch wirklich das Übergewicht. Ja, wir erhielten aus unserer eigenen Gruppe heraus zusätzliche Informationen "über Frauen von Frauen", wie Hildegard Knef und Elisabeth Shaw, die ebenfalls hier zwischen dem Buschgraben, der Bäke und der Zehlendorfer Straße - einen Teil ihres Lebens gelebt haben.

Auf dem Torpfeiler des Grundstücks Ernst-Thälmann-Straße 22...
Dieser Pfeiler gehört zu einem Tor, hinter dem bis zu ihrem frühen Tod die heute noch so populäre Journalistin und Kommunistin Maxi Wander (und ihr Mann Fred Wander)lebte. Ihre frei erzählten (aber nicht frei erfundenen) Interviews mit Frauen und Mädchen aus der DDR wurden nicht nur ein internationaler Verkaufserfolg, sie waren ein Meilenstein der sozialistischen Literatur - kritisch, ehrlich, lebensklug und auch lebensfroh - so hatte ich das jedenfalls damals empfunden.
Hier verbrachte die Volksschauspielerin Agnes Kraus viele, viele Stunden ihres Lebens....
Das blaue Gartenhäuschen in grüner Hölle steht gegenüber dem Düppelteich an der ersten Sommerfeld-Siedlung. Die Führung kam dort nicht vorbei, dies ist ein Foto aus meiner Recherche-Serie.
Aber an unserem Weg lag der Erlenweg 29 - um 1900 die noble Wohnandresse zweier ganz anderer Sozialisten: Heinrich und Lily Braun. Lily erregte mit ihrem 1901 erschienenen Buch "Die Frauenfrage" und mit ihrer unorthodoxen Lebensweise viel Aufsehen. Sie ist mit ihrem 1917 gefallenem Sohn im Garten des Grundstücks beigesetzt. Nicht weit von hier entfernt finden wir in der Geschister-Scholl-Straße 53 das verwunschene Haus, in dem Elena Liessner-Blomberg lebte - eine heute geschätzte Grafikerin und Zeichnerin der konstruktivistischen Richtung. Sozusagen um die Ecke wohnte kurze Zeit, bevor sie ihrem Mann noch Amerika ins Exil folgte, auch Lotte Lenya, die Gattin von Kurt Weill. Sie hatten kaum das Haus bauen lassen, musste er als Jude und avantgardistischer Künstler Deuschland 1933 verlassen. Das Haus Tucholskyhöhe 12 - Architekt Hermann Henselmann.
Auch Christa Wolf verließ nicht ganz freiwillig Kleinmachnow eines Tages und lebt jetzt in Pankow. Ihr wurde es im Fontaneweg in den 70er Jahren sicher zu unruhig, da dort ein modernes Freibad entstanden war. Aber vor allem waren die Wolfs, denke ich mir, der überall präsenten Grenzsicherungsanlagen des Ortes müde.... Die Familie lebte unweit des oben abgebildeten Hauses ebenfalls in einem Henselmann-Bau in den Kiebitzbergen.
"Die Bogenspannerin" von Ferdinant Lepcke (vor dem Bf. Nikolassee)
Augenzwinkernd möchte ich noch eine weitere starke Frau vorstellen. Und sie wurde von einem Mann erschaffen! Auch w i r haben also Anteile an weiblichen Verdiensten…Der begabte Bildhauer Lepcke starb leider sehr jung schon 1909 – aber er hinterließ einige sehr ausdrucksstarke Weiber, pardon: Werke. Er lebte und arbeitete ebenfalls in Kleinmachnow. Seine Villa am Zehlendorfer Damm, in der Künstler wie Lovis Corinth und Arnold Schönberg aus- und eingingen, wurde leider im Krieg durch eine Bombe zerstört.
Aber auch in den letzten 10 Jahren wurden in Kleinmachnow Häuser zerstört, um Platz zu haben für neue, moderne und vor allem profitablere Bauten. Glück für Gebäude die älter sind….sie stehen manchmal, wie dies der Sommerfeld-Siedlung unter Denkmalschutz. Das hier 1935 fotografierte Haus existiert bis heute. Das junge Mädchen auf dem Fahrrad ist übrigens meine Mutter Helga Döring. Das Bild am Schluss zeigt meine Großmutter auf der Terrasse des Kleinmachnower Hauses in den „Feldfichten“. Leider musste die Familie bald darauf für eine Arbeitsstelle des Vaters nach Eisenach ziehen. Wenig später erkrankte Käthe schwer – sie starb 1939 mit 39….
Käthe Döring, geborene Wübben.