03.05.10

Gedanken zur Führung in Pankow am 30. 04. 2010


zwischen Rathaus und Schloss....

„Preußenschloss gerettet!“

Es war mir vergönnt, eine große Gruppe Berliner vom Bahnhof Pankow ins neue alte "Schloss Schönhausen" (http://www.spsg.de/index.php?id=3422) zu führen. Viele fanden das Angebot offenbar reizvoll, die politische Geschichte des Ortes mit der ersten Visite des neueröffneten Hauses zu verbinden. Viele Jahre biete ich schon eine Führung unter dem Titel „Ohne Sonderzug nach Pankow“ an, die besonders in den 90ern sehr gut angenommen wurde. Pankow zu erobern, die unbekannte vermeintliche Schaltzentrale des deutschen Osten, das lockte. Und wirklich gibt es in Pankow und dem zugehörigen Niederschönhausen viel zu sehen und zu erobern (das "Pankower Fliegenfest", das Rathaus, den Bürgerpark, Paul Nipkow und Otto Witte, Max Skladanowsky und Karl von Ossietzky, den Brose-Park, die Panke, den Niederschönhauser Friedhof, den Schlosspark...)

Auch Sehenswert in Pankow: Schulhaus aus der Neoromanik.


– aber was von der einstigen politischen Machtpräsens hier übrig geblieben war, schien eher wenig. Leider gab es auch kaum Möglichkeit, in Objekte hineinzugehen, Türen aufzuschließen. Das hat sich mit der Übergabe des Schlosses Niederschönhausen (jetzt offiziell nur noch "Schön" ohne nieder) an die Öffentlichkeit gewandelt. Dort wird nicht nur gezeigt, wie die einstige Besitzerin Elisabeth-Christine (die Gattin Friedrich II.) lebte und repräsentierte – auch die DDR-Staatsführung kommt zu ihrem Recht….
Wir erleben bei dem Rundgang im Schloss auch Räume, die der einstige Präsident Wilhelm Pieck und später der Staatsrat nutzten. Man erkennen die Umbauten der DDR-Zeit und quittiert dabei die Verluste. Und ist dennoch, denke ich, froh, das Schloss erhalten zu erleben. Schnell begreift der Besucher: Hier wurde ein wesentliches Stück der deutschen Geschichte geschrieben. Nur der, der die DDR-Zeit Deutschlands mit Bausch und Bogen verdammt oder verdrängt, geht hier ungerührt oder gar verärgert hinaus. Die heutige Auffassung der Restaurierung, die geschichtliche Spuren anerkennt und sichtbar macht als "kritischen Dialogs“ der unterschiedlichen Epochen und ihrer jeweiligen Auffassungen, beschert uns in Niederschönhausen nicht nur die "Rettung eines Preußenschlosses" und einer in Berlin letzten Rokoko-Innenarchitektur (der Tanz- und Festsaal!). Was außerdem gewonnen wird ist ein Stück der Regierungszentrale Ostdeutschlands, der „Zone“, der DDR, des sozialistischen Versuchs auf deutschem Boden, des einstigen Vaterlandes - wie Sie es auch nennen wollen. Und das geschieht hier ohne Zeigefinger, ohne Anklage – was ich sehr dankbar zu Kenntnis nahm. Wenngleich die politische Bedeutung und Auslegung, zumindest in der Führung durch die Studentin, etwas untertrieben und ungenau erschien. Egal – man darf einen Blick in das Chefzimmer des Staatsrates werfen und die würdevollsten Gästezimmer der DDR-Regierung betreten (herrlich: ein hochmodisches Lila-Kachel-Bad!).
Ob das der "Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg" bewusst ist, dass hier in einem „ihrer“ Preußen-Schlösser Deutschlands einziger zugänglicher historischer Regierungssitz bewahrt ist? Alles andere ist in Berlin verloren - durch Kriegs- , Nachkriegs- oder Nachwendezerstörung. Oder es ist, wie das DDR-Staatsratsgebäude oder das einstige „Haus der Ministerien“ anders genutzt und die Bevölkerung ist ausgesperrt. Vor allem wurden dort die Räumlichkeiten auch nicht vorsorglich bewahrt. Einzig in der einstigen Ersatzhauptstadt B o n n besteht die Möglichkeit, über Führungen des „Hauses der Geschichte“, in historische Regierungsräume zu schauen. Dies sind jedoch keine ständig zugänglichen Orte, denn, wie wir wissen, blieben die meisten Imobilien in Bonn als „Zweitsitz“ in der politischen Verwaltungsmasse erhalten. Lediglich für die Besichtigung des historischen Kanzlerarbeitszimmers im Palais Schaumburg (vor allem Konrad Adenauer-Ehrung) gibt es für Individualbesucher eine Regelung: Einmal die Woche, Sonntag um 5 vor 12 ist Einlass. (www.hdg.de/stiftung/)

Auch für den SPD-Mann Grotewohl nur eine magere Tafel an halbmaroder Villa.

In diesem Zusammenhang möchte ich hier auf die in Berlin vergebene Chance, an Johannes R. Becher zu erinnern, eingehen.
Becher war meines Wissens der erste Dichter der Welt, der Kulturminister wurde und hat trotz manch unkritischer Stalinverehrungsgeste (die er bitter und öffentlich bereute), viel Wichtiges und auch Gutes im Nachkriegsdeutschland bewegt. U.a. „lotste“ er Berthold Brecht und Hans Fallada in das Nachkriegsberlin- und dem letzteren organisierte er ein heiles, großes Haus in der heutigen Rudolf-Ditzen-Straße in Pankow (Gedenktafel), wo er den letzten Roman schreiben konnte – „Jeder stirbt für sich allein“.
Bedauerlicherweise wurde Bechers Wohnhaus im Majakowski-Ring, nahe dem Schloss Schönhausen, als Gedenk- und Forschungsstätte nicht bewahrt. Hier existierte bis 1990 ein „Dichtermuseum“ und das Archiv der Akademie der Künste mit dem Nachlass Bechers. Heute existiert nicht einmal eine Gedenk t a f e l. Und wäre Becher auch noch so „rot“ und verantwortlich für die Diktatur des „Sozialistischen Realismus“ (was er nicht war) – der vereinte deutsche Staat und vor allem BERLIN als kulturvolle und kunstreiche Stadt hätten sich dieses Haus nicht nehmen lassen dürfen.
Ähnlich ist es um Arnold Zweig und Ernst Busch, dem „Barrikaden-Tauber“ ,bestellt. Beide Museums- und Sammlungsstätten existieren nicht mehr. Die geistigen Nachlässe der Künstler freilich können eingesehen und auch studiert werden – im Archiv der Berliner Akademie der Künste am Robert-Koch-Platz in Mitte (http://www.adk.de).
„Pankows“ interessantem politischen Antlitz aber sind diese „Häuser“, diese einst markanten Gesichtszüge, abhanden gekommen.


So mag sich Klein-Fritzchen die rote Pankower Bonzensiedlung vorstellen. Aber es ist die schmucke Paul-Francke-Siedlung des "Berliner Beamtenwohnungsvereins" (Architekt Paul Mebes).
Fotos: Uwe scheddin







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