01.02.08

Bericht über die Führung in Alt Cölln 27. Januar 08

Zurückgebautes ist nicht zurückzuholen

Die Lückenbauer am Werk... .. Der "Rückbau" des DDR-Palastes schafft eine Lücke, wie einst der Abriss des Stadtschlosses.


Cölln in Berlin

Ich hoffe, dass die „besondere“ Führung, die ich versprochen hatte, sich für die 22 Teilnehmer auch hergestellt hat…
Ich empfand, dass sich die Mühe der Vorbereitung lohnte. Alt-Cölln ist von den Berlin-Führungen für mich sozusagen der „Bonbon“. Soviel Geschichte und geringe Bekanntheit… Viele Baudenkmäler, kaum Spaziergänger. Große Kontraste, wenig Öffentlichkeit.
Gerade die dünne Öffentlichkeit war und bleibt für mich ein Motiv, hier engagiert vorzubereiten! In diesem Stadtgebiet laufen einige Dinge gegen unser Interesse, ohne dass wir davon etwas wissen. Das betrifft vor allem den in Aussicht stehenden Verkauf der beiden einzigen Wohnhäuser des frühen Berliner Barocks. Das „Henkerhaus“ und das „Nikolaihaus“ in der Brüderstraße sind in den „Liegenschaftsfonds“ des Landes Berlin „gewandert“. Mit dem Erlös (10 Mio) will das Land ein anderes Haus sanieren – das "Marinehaus" (um 1900) nahe dem Märkischen Museum. Dort soll dann über die Stiftung „Stadtmuseum“ das 20. Jahrhundert museal ausgestellt werden.

Blick vom Weydinger-Treppenhausfenster in den Hof des Nikolaihauses
Die Berliner sollten sich diesen Kuhhandel keineswegs gefallen lassen! Vor allem das Nikolaihaus ist außerordentlich wichtig. Es ist nicht nur ein einzigartiges und einmaliges Baudenkmal. Es gibt auch von den historischen Bewohnern her kein, absolut k e i n vergleichbares Haus in Berlin und Brandenburg. Und das nicht nur, weil der Weltkrieg ähnliche Häuser zerstört hat:
Schon in den 1920er Jahren und bis in die 30er hatte deshalb hier der Magistrat Berlins wichtigstes Dichter-Haus eingerichtet, es „Lessing-Museum“ genannt, aber weit mehr bewerkstelligt, als Lessing zu ehren. Denn über die Gestalt des Verlegers Nikolai, der dieses Haus 1784 erwarb, und über seine Erben waren so gut wie alle Dichter des 18. und 19. Jahrhunders mit dem Haus verbunden, einschließlich vieler Theatermacher. Die Fülle der Gedenktafeln an der Außenwand gibt eine visuelle Kostprobe, was in diesen Mauern steckt.
Beim Henkerhaus liegt der Schwerpunkt eher in der Bausubstanz. Hier finden wir z.B. im sogenannten „Schlüterzimmer“ Innendekorationen des Barock um 1700 und früher. In Berlin ebenfalls nur noch ein(1)mal vorhanden – erst das Köpeniker Schloss bietes Vergleichbares. Es werden hohen Ortes edle Tränen geweint über den Verlust des Stadtschlosses und die abenteuerlichsten Wiedergewinnungspläne kostenintensiv aufgestellt. Aber das V o r h a n d e n e, das wird ruckzuck auf die Liste des Loszuwerdenden gesetzt. Leerstand, Spekulation, Fremdnutzung werden die Folgen sein und das sind gewiss keine guten Gaben, die die Stadt einem maroden alten Haus hier in die Fenster schmeißt.
Öffentlichkeit wäre leicht herzustellen gewesen. Über die Stiftung Stadtmuseum, die eine kurze Zeit in beiden Häusern zugängliche Museen betrieb. Seit Jahren aber sind diese aus unterschiedlichen und für mich unakzeptablen Gründen geschlossen. Irreführend wird seitens der Stiftung nicht nur der drohende Verlust der Häuser ignoriert, es wird auch von einer nur „vorläufigen“ Schließung gesprochen, obwohl man auf allen Ebenen weiß, dass eine Wiedereröffnung bereits unmöglich geworden ist.

Im schönen Lichthof des "Hauses der Deutschen Wirtschaft" Breite Straße
Es wäre gut, liebe Freunde von SIEHDICHUM und Sie, verehrte Internetbesucher, wenn Sie sich in dieser Sache mit Bitte um Information oder in Form einer Beschwerde an die Stiftung Stadtmuseum oder/und den Kultusminister des Landes wenden. Diese Häuser gehören der Berliner Bevölkerung und ihren Gästen und wir sollten mit Argusaugen über ihr Schicksal wachen!

Für die Führung jedenfalls konnte ich noch einmal die Türen einen Spalt weit öffnen. Besonders das Nikolaihaus überrascht dabei mit einer herrlich uralten Treppe und mit seinem (auch in DDR-Zeiten!) gepflegten romantischen Hof. Im Hinterhaus wurde in den 1960ern ein Treppenhaus aus dem Weydingerhaus – wahrscheinlich von Schinkel entworfen – eingebaut.

Ausgrabung an der Scharrenstraße

Weitere Stationen des Stadtganges waren die Baustelle des "Rückbaus" des Palastes der Republik, die Musikhochschule, das Zentrum für Berlinstudien und das „Haus der Deutschen Wirtschaft“, wo wir dankeswerter Weise den Lichthof betreten konnten. Auch eine Begegnung mit der Grabungsleiterin an der zukünftigen Baustelle „Scharrenstraße“ war ein wichtiger Bestandteil der Führung. So lernten wir die unlängst entdeckten Fundamente von Berlins alter Latainschule kennen und erfuhren von den rund 700 Skeletten die bisher aus dem alten Friedhof der Petri-Gemeinde geborgen wurden.
Fotos: Scheddin
Alte Getraud zwischen Vor- und Nachwendebeton



Es war schon Dämmerung, als wir vom Standbild der Heiligen Getraude die Friedrichsgracht entlang nach Neu-Cölln wanderten. Noch bis 1960 war das der schönste der Altberlin-Spaziergänge! Viele wertvolle Häuser waren schon (not)saniert. Sogar Charly Chaplin, der 1921 und 1931 in Berlin war, liebte die Gegend und plante einen Film an diesem Schauplatz.
Geblieben sind die Erinnerung und e i n einziges Haus. Das hat die DDR-Berlin-Verwaltung vor dem Totalabriss des „Fischerkiezes“ demontiert und auf der anderen Spreeseite am "Märkischen Ufer", neben dem ebenfalls ab- und aufgebauten „Ermelerhaus“ neu errichtet. Der Protest gegen die totalitäre Abrisspolitik war leise und intern. Und als die Baustelle kam, war alles zu spät.
Wir haben es heute leichter, uns gegen Einfälle und Ausfälle der Verwaltungsbürokratie zu melden und zur Wehr zu setzen:
- Wir können mehr erfahren und es besser wissen,
- Andersdenkenden drohen weniger Nachteile,
- in der vielgestaltigen Gesellschaft haben wir viele Verbündete,

- es existieren rechtsstaatliche Instrumente für unsere Interessen.


Zweckdienliche Linkadressen
Stiftung Stadtmuseum (Generaldirektorin Dr. Nentwig):
Senatsverwaldung für Kultur

http://www.berlin.de/sen/kultur/

Ein wichtiger "Verbündeter": Stiftung Denkmalschutz-Berlin

http://www.stiftung-denkmalschutz-berlin.de/