05.04.11

Bericht vom Ausflug nach Magdeburg 3.4.11

Der Adolf-Mittag-See im Rothehorn-Park. Im Hintergrund der Magdeburger Dom.

Mein Magdeburg
Ich betone eigentlich selten, dass mir etwas besonders am Herzen liegt – wie in diesem Fall mit dem Titel des Ausflugs. Magdeburg selbst wirbt mit dem Slogan: „Mehr als man denkt!“ (bzw. erwartet) – und das war eigentlich auch mein Motiv für die Parteinahme. Magdeburg bzw. die Magdeburger waren nie ausreichend und dauerhaft geschickt, sich kulturgeschichtlich und – politisch ausreichend in Szene zu setzen.
Besichtigung eines Wohnviertels von Carl Krayl in Magdeburg-Crakau
Doch die Stadt hat mehr als einmal, mehr als an einer Stelle selbst das Zeug zum UNESCO- Welterbe – ganz abgesehen von seiner ideellen Bedeutung als einstiges Zentrum des deutsch-römischen Reiches - eine Entwicklung, die bis zum 30jährigen Krieg keinesfalls wesentlich abgeschwächt war. Doch jener und der Zweite Weltkrieg haben Wunden gerissen, die bis heute sichtbar, spürbar sind: Im Stadtbild und im Geschichtsbild.
Die Elbwiesen an der Fußgängerbrücke (!) zum Rothehorm-Park
Vielleicht deshalb wählten die derzeitigen Städtväter den ersten deutschen Gesamtherrscher Otto I. zu ihrer Gallionsfigur aus dem vermeintlichen Goldenen Zeitalter: „Magdeburg – die Otto-Stadt“. Doch wo ist Otto heute noch zu finden? Wirklich eindrucksvoll nur im Denkmal vor dem alten Rathaus, als Reiter, begleitet von seinen Frauen Editha und Adelheid. Alles Weitere in spärlichen Resten im Dom, im Kulturgeschichtlichen Museum. Wirklich anwesend ist für mich in Magdeburg etwas anderes: Eine ganz besonderes Melange: die Werke und Zeichen und Narben einer G r o ß s t a d t durch über 1000 Jahre. Die Versuche, sich selbstbewusst und großstädtisch zu definieren, reichen bis in die unmittelbare Gegenwart –
Wir besichtigen das Hundertwasserhaus von seiner bewachsenen Seite
beispielsweise mit der Zustimmung vor einigen Jahren, Friedensreich Hundertwasser Visasvis des Domes sein letztes, größtes und spektakulärstes Wohnhaus bauen zu lassen. Der Meister taufte sie „Grüne Zitadelle“ und bewies damit mehr Spürsinn als mancher Magdeburger. „Grün“ ist nämlich eine der großen und singulären Kategorien dieser Stadt. Viel Grün gibt es um und in Magdeburg und auch „besonderes Grün“: Die Auen der Elbe, die gepflegten Grünanlagen an ihren Ufern, auf den Elbinseln, die großen und gepflegten Friedhöfe und nicht zuletzt die alten, historischen Stadtparke. Die ersten bürgerlichen waren es und die ersten öffentlichen Deutschlands entstanden hier - auf den alten inneren Festungswällen, weil die Festung etwas nach außen gerückt war.
Grabmalskunst im großen Westfriedhof
Die „Zitadelle“ allerdings, größtes Gefängnis Preußens und Fluchtburg zugleich, war alles andere als grün. Sie war stur, steinern und grau. Hundertwasser knüpft hier geschickt an einen anderen, einst jedem bekannten Superlativ an: Magdeburg, Deutschlands größte Festungsstadt. Als die Festung vor mehr als 100 Jahren endlich geschleift wurde, expandierte die Stadt mehr als je zuvor, in den 20iger Jahren auch mehr als jede andere deutsche Stadt.
Was da entstand an alternativen Wohnquartieren, kann sich z.B. unter den Denkmalen der „Klassischen Moderne“ absolut sehen lassen. Aber auch hier riss die Entwicklung, wie so oft in Magdeburg, störend wieder ab (das begann bereits unter Ottos Enkel, wo sich der Schwerpunkt wieder nach Italien verlagerte, setzte sich fort mit der frühen Reformation, die der Stadt die zentrale Rolle als deutsches Erzbistum nahm und erreichte einen weiteren Tiefpunkt durch die Zwangsauflösung Preußens, in dem Magdeburg eine ganz zentrale Rolle gespielt hatte. Und es findet selbst noch in der DDR statt, als, wie auch unterm Nationalsozialismus, die fruchtbaren und beispielhaften Fortschritte der neuen Wohn- und Baukultur nicht wieder aufgenommen wurden. Natürlich gehört in die Reihe der gewaltsamen Beendigungen auch der 16./17. Januar 1945, wo Magdeburg in Schutt und Asche sank.
Gotischer Altar aus der Hallenser Ullrichkirche im wiedererrichteten Hohen Chor der einstigen Magdeburger Augustiner-Kirche. Links Hanjo Herwig, der uns zuvor als Copilot im Bus durch Magdeburg geführt hat.
Und es ist vielleicht das eigentlich Besondere, ja Wunderbare an der Stadt, dass sie dennoch so wohlerhaltene, solitäre Kunst- und Geschichtsdenkmäler besitzt wie Dom und Liebfrauenkirche. Magdeburg hat viel daran gearbeitet und sollte auf dieser Schiene weitermachen, seine alten Geschichtsdenkmale zu erhalten oder wieder zu errichten. Dabei wird nie eine Fachwerkstadt wie Rothenburg, eine Barockstadt wie Potsdam, oder eine Renaissancezentrum wie Görlitz entstehen können. Doch Magdeburg scheint mir ein Denkmal gleichsam des Wandels selbst, der Fähigkeit sich zu bewahren durch Neuerfindung.
Wir besuchen das Ehrengrab für die Opfer des Zugunglücks von Langenweddingen im Sommer 1967.