04.06.10

Bericht vom Warschauer Frühling 2010


Venus und Amor im Badepark (Lazienki) Warschaus

Warschau blüht auf….

Erstaunlicher Weise war in Warschau der Frühling weiter als in Berlin – fast schien mir die Natur kurz vor Sommerbeginn. Der Holunder blühte… das Wetter viel besser als in der Mark an diesem regnerischen Wochenende. Nur der Montag, wo wir eine Exkursion durch das einstige Ghetto unternahmen, war auch in Warszawa verregnet.


Das Ghetto-Denkmal - wo einst Brandt kniete....


Detail aus der beunruhigenden, aber auch unruhigen Ausstellung im "Museum des Warschauer Aufstandes"

„Pünktlich“ am Ende dieses Stadtganges kam wieder die Sonne heraus. Wir waren in der Freta-Straße angelangt und freuten uns auf die reservierten Plätze im Restaurant „Beim Samson“ in der so völlig anderen Altstadt.


Ein trüber Vormittag: Auf dem Friedhof der Warschauer Juden

Am Ankunftstag schon waren wir hier kurz gewesen - am Ende eines langen Tages, der nach der Zugfahrt und der Zimmerbelegung (Hotel „Gromada“ zentral und nicht allzu teuer) mit einer Führung meiner Warschauer Kollegin E w a entlang des Königsweg zum Königsschloss sehr schön begann (Ewa Bochinska! Für private Führungen und Ausflüge in Warschau und Umgebung empfehle ich sie gerne! Unter 0048 696532315 oder über E-Mail: ewabo2000@yahoo.com zu erreichen.)


Die Berliner Gruppe auf dem Platz vor dem Schloss und der Altstadt

Den Schluss dieses Tages fand ich persönlich besonders gelungen: Wir saßen zu Abend und Essen auf den Terrassen des Schlossrestaurants und genossen das Weichselpanorama….


Ewa Bochinska im Königsschloss....

Auch der Sonntag gefiel mir persönlich sehr. Vor allem vielleicht, weil ich wenig zu tun hatte, denn den Tag gestaltete wieder Ewa. Auf dem Programm stand eine Fahrt durch das westliche Warschau und aus der Stadt hinaus entlang des großen Reservats und Waldes „Campinos“ nach Zelazowa Wola („Eisenwasser“?), dem Geburtsort von Chopin. Gemäß dem 200. Geburtstag des genialen Polen war der Ort besonders schön hergerichtet.


Konzert im Park von Zelazowa Wola

Ein reicher und gepflegter Park, ein kultiviertes Publikum und Musik, Musik wohin man trat. Im Inspektorenhaus, hier hatten kurz die Eltern des Meisters gelebt, thront heute natürlich ein Museum – aber das Eigentliche ist hier die Natur, der Garten, der Himmel, die Blumen, der Fluss. Die trügerische und doch so tröstliche Romantik. Inspiration und Rahmen für Chopin, den aber seine Musik spielend und provozierend immer wieder verlässt. Anschließend machten wir noch einen Abstecher in den wohl bedeutendsten Landsitz der Raziwils (polnisch wird das ganz anders und klangvoller ausgesprochen als in Berlin, wo der Name auch bekannt ist: Raschiwiu) nach Nieborów . Das Anwesen ist glänzend erhalten und gepflegt, gehört seit Kriegsende dem staatlichen Nationalmuseum und repräsentiert Kunstsammlung und Lebensstil samt politischem Einfluss einer der ganz großen und wohl auch traditionsreichsten polnischen Adelsfamilien. Leider hatten wir keine Zeit, für eine Einkehrpause hier oder im Chopin-Ort, sondern mussten, da der Bus noch einen zweiten Auftrag am an diesem Tag am Flughafen hatte, zurück in die Stadt, wo ich vom Hotel Pilsuzki einen einstündigen Rückweg zu Fuß vorbei an einzigen Rest einstigen Ghettomauer anbot.


Wettbewerb der Hochhäuser in der City


Die jüngste Baustelle Warschaus - das neue Stadion für die Fussball Europa-Meisterschaft 2012

Unser letzter Tag wurde dann wieder durch Ewa gestaltet, die uns auf dem Königsweg diesmal südlich führte in die großen Parks der Stadt durch das in der unseligen Besatzungszeit von Deutschen bewohnte Gebiet. Es war weniger zerstört und hat noch heute eine eher großbürgerliche Atmosphäre. Höhepunkt ist hier für mich der „Park Lazienki“ mit dem prächtigen Landschloss des letzten Königs Ponjatowski.
Hier ist auch das beeindruckende Chopindenkmal Warschaus zu finden. Gleich daneben fährt alle 10 Minuten ein Bus ins „Polnische Versailles“ in das Dorf Wielanów, wo vor über 300 Jahren der wohl beliebteste polnische König Sobiesky seine Sommerresidenz errichten ließ.


vor dem Schloss "Wilanów"

Leider mussten wir uns hier mit einer Außenbesichtigung begnügen, da für eine Innenführung keine Zeit mehr war (der Zug nach Berlin…). Ich hatte gehofft, dass uns auch das Äußere und der Park Vergnügen bereiten würde, aber leider waren die Parkanlagen noch nicht fertiggestellt – rings um das große Schloss sollen sie einst ganz im Frühbarockstil wiedererrichtet werden. Doch es war durch die Baustellen nicht einmal eine Umrundung möglich. Ich hatte mich durch eine Internetmeldung täuschen lassen, die darauf schließen ließ, dass hier schon etwas fertig sei. So mussten wir uns – was das Innere dieser großen europäischen Schlösser betrifft –auf den Eindruck vom „Bäderschloss“ (das Vergnügungs- und Sommerschloss im Lazienkipark, sozusagen Warschaus Waschhaus) begnügen.


vor dem wunderbaren Herkules-Kamin im Lazienki-Schloss

Warschau war wieder für mich etwas ganz Besonderes….ich bin gern hier. Und das obwohl ich den Ort über viele Jahre eher gemieden habe und die gründliche Bekanntschaft vor mir her schob. Mein Vater Willy Scheddin hat in Warschau 3 Jahre als deutscher Besatzungsoldat gelebt.


Der letzte originale Rest des jüdischen Viertels - einst das größte der Welt

Noch vor dem Ghettoaufstand und vor dem „Warschauer Aufstand“ wurde er von Warschau weg an die Front versetzt. Später hat er oft von Warschau geschwärmt, war damals mit Polen und Polinnen befreundet, ist auf der Weichsel gesegelt. Es klang für uns Kinder wie ein Urlaubsbericht. Erst nach seinem Tod 1975 habe ich das furchtbare Schicksal Warschaus wirklich begriffen. Nicht durch ihn, obwohl er doch dort war zu entscheidender Zeit und Verbindung hatte, sogar über den Krieg hinaus. Noch 1943 hat er seine polnische Freundin Emma an den Seddiner See "evakuiert", wo sie ein Jahr später ein Mädchen gebar. Meine (Halb)Schwester Ilona lebt heute in Berlin, hat eine Tochter und eine Enkelin. Emma Kopp aus Warszawa jedoch wurde 1946 in ihrem 34. Lebensjahr in Beelitz-Heilstätten ein "Opfer der der Schwindsucht". Zwei Wochen vor ihrem Tod hat Willy Scheddin, zurückgekehrt aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft, Emma dort geheiratet - an ihrem Krankenbett.


Eines der Wahrzeichen Warschaus: Die wehrhafte Schöne aus dem Sagenreich. Sehr scharf kann das Schwert wirklich nicht sein...



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